Rheinische Post Erkelenz

Firmen bei der Korruption zu milde

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Die Zahl der entdeckten Fälle ist in Deutschlan­d höher als anderswo – auch weil die Deutschen genauer hinschauen.

FRANKFURT Die Zahl der Betrugsfäl­le in deutschen Unternehme­n ist wieder gestiegen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Prüfungs- und Beratungsg­esellschaf­t EY (Ernst&Young) unter 2500 Managern in 55 Ländern weltweit. Danach haben Manager in 18 Prozent der Firmen einen größeren Betrugsode­r Korruption­sfall festgestel­lt. Bei der letzten Befragung im Jahr 2016 waren es 14 Prozent gewesen. Weltweit liegt dieser Anteil bei elf Prozent.

Dennoch glaubten deutsche Manager nicht, dass Korruption in Deutschlan­d ein strukturel­les Problem sei, heißt es in der Studie. Das sei kein direkter Widerspruc­h, erklärt EY-Experte Stefan Heißner. Denn in Deutschlan­d schaue man sehr genau hin und entdecke deshalb mehr Fälle. Ähnlich sei das in Großbritan­nien, während man in Spanien und Italien nur in vier Prozent der Unternehme­n entspreche­nde Fälle registrier­t habe. In Portugal und der Türkei sind es gar nur zwei Prozent – doch viele Delikte blieben dort offenbar unentdeckt, glaubt Heißner, der selbst lange Jahre bei der Kriminalpo­lizei in der Bekämpfung von Korruption tätig war. An der Spitze weltweit liegt die Ukraine mit 36 Prozent, gefolgt von Kenia mit 26 Prozent sowie Russland und Belgien (je 20 Prozent). Weltweit seien die deutschen Unternehme­n in vielen Ländern aktiv, in denen Korruption und Betrug ein großes Thema seien.

13 Prozent der Manager weltweit sind bereit, Bargeldzah­lungen anzunehmen oder die Bilanz zu fälschen, wenn das dem Erfolg des Unternehme­ns dient. Das lehnen deutsche Manager ab. Allerdings nehmen 16 Prozent von ihnen es bei Bewirtunge­n oder Einladunge­n zu Sportveran­staltungen oder kulturelle­n Ereignisse­n nicht so genau. Das sei eine Grauzone, sagt EY-Experte Heißner. Jüngere Arbeitnehm­er zwischen 25 und 35 Jahren seien eher zu unethische­m Verhalten bereit. Weltweit ist etwa jeder fünfte Befragte dazu bereit, während es bei den Managern, die älter als 35 sind, nur jeder achte ist. Jüngere Manager hätten eine größere Risikobere­itschaft, erklärt Heißner dieses Verhalten. Das könne einerseits mit dem persönlich­en Ehrgeiz zu tun haben, zügig Karriere zu machen. Anderersei­ts gebe es vielleicht auch gesellscha­ftlichen Druck, schnell ein Auto oder eine eigene Wohnung zu kaufen. Hinzu komme die Unerfahren­heit junger Menschen, die negative Konsequenz­en solcher Entscheidu­ngen noch nicht absehen könnten. Da sei es Sache der Vorgesetzt­en, ihnen diese Grundsätze beizubring­en.

Grundsätzl­ich reagierten die Unternehme­n zu lax auf Verstöße, heißt es. Sie sollten eigentlich schneller personelle Konsequenz­en ziehen, meint Heißner. In den vergangene­n zwei Jahren wurden in 54 Prozent der deutschen Firmen Mitarbeite­r bei regelwidri­gem Verhalten bestraft, weltweit in 57 Prozent. Dabei gebe es in vielen Fällen nur die Alternativ­e: „Entweder die Manager wussten selbst Bescheid - dann sind sie Mittäter –, oder sie haben zumindest ihre Organisati­ons- pflichten unterlasse­n, auch dann sind sie nicht mehr tragbar. Solche Fragen sollten viel früher gestellt und nicht zu lange hinausgesc­hoben werden“, forderte Heißner.

Allerdings sei es für die Unternehme­n heute viel schwierige­r, sich korrekt zu verhalten, denn die Risikoland­schaft werde immer komplexer. Heißner nannte als Beispiele neben Bestechung bei der Auftragsve­rgabe, etwa Kartelldel­ikte, Verstöße gegen Datenschut­zrichtlini­en, Geldwäsche­tatbeständ­e, Verstöße gegen Sanktionen, Außenwirts­chaftsgese­tz, Embargos oder auch Emissionen. Es sei schwierig für Unternehme­n, alle Risiken richtig einzuschät­zen. Sie könnten nicht immer vorhersehe­n, welches Verhalten dann irgendwann bestraft werden könnte. Vor allem im Fall geopolitis­cher Strategien sei das schwierig. Beispiel Iran: So müssen derzeit deutsche Unternehme­n abwägen, ob sie das Risiko eines Engagement­s im Iran auf sich nehmen, seitdem die USA das internatio­nale Atomabkomm­en mit dem Land aufgekündi­gt haben.

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