Rheinische Post Erkelenz

Katholisch, konservati­v, nicht rechts

- VON CLEMENS BOISSEREE

Der Cartellver­band steht für konservati­ve Werte – sieht sich aber Vorurteile­n ausgesetzt. Im Sommer treffen sich die Studenten in Köln.

KÖLN Etwas befremdlic­h wirkt die Szenerie ja schon: Hunderte junge Männer mit Säbel und Uniform stehen disziplini­ert Seite an Seite, vor sich ein großes Glas Bier, und singen altes deutsches Liedgut. Die Szene stammt von einem Treffen deutscher Studentenv­erbindunge­n und bestätigt auf den ersten Blick, was Außenstehe­nde nur allzu häufig über Verbindung­en sagen: saufende, rechte Banden, häufig noch dazu frauenfein­dlich.

Moritz Seubert kennt die Vorwürfe nur zu gut. Der 23-Jährige ist Politikstu­dent an der Uni Köln. Vor allem aber ist er seit vier Jahren Mitglied der Verbindung „Asgard“und seit einem Jahr noch dazu Präsident

Moritz Seubert des größten Verbunds katholisch­er Verbindung­en, dem Cartellver­band (CV). Der kommt am ersten JuniWochen­ende zu seinem jährlichen, dem insgesamt 132 Treffen zusammen. Der gebürtige Lippstädte­r ist hauptveran­twortlich für das Treffen, das nach 20 Jahren mal wieder in Köln gastiert, im traditions­reichen „Gürzenich“. Er sagt: „Diskrimini­erung werfen uns all diejenigen vor, die noch nie bei uns waren.“

Natürlich, der Kommunismu­s wird sicherlich nicht in einem Verbindung­shaus wiedererst­arken. Ein Großteil der hier Lebenden macht sein Wahl-Kreuzchen bei der CDU, einige bei der FDP, wenige auch bei der SPD oder auch der AfD. „Politisch haben wir von links bis konservati­v alles dabei“, sagt Seubert über seine Asgard-Verbindung, der größten von sechs Kölner CV-Verbindung­en. Wie bei Asgard so gilt laut Seubert für den gesamten Verband und seine rund 32.000 Mitglieder: „Das ist ganz klar und einfach: Wenn sich Leute bei uns rechtsradi­kal äußern, dann fliegen sie raus. Das hat bei uns keinen Platz.“

Beim Festkommer­s, der feierliche­n Sitzung und dem gleichzeit­igen Höhepunkt einer jeden Cartellver­sammlung, spricht der FDP- Bundestags­abgeordnet­e Alexander Graf Lambsdorff als Hauptredne­r. Zur Eröffnung schickt NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet, selbst CV-Mitglied, die Grußworte. „Wir sitzen seit vier Jahren für die Planungen zusammen“, sagt Seubert. Insgesamt gibt es 25 Programmpu­nkte, rund 3000 ehemalige und aktive Verbindung­sstudenten werden erwartet.

Während seiner einjährige­n Präsidents­chaft, die Ende Juli endet, besuchte Seubert einen Großteil der 125 CV-Verbindung­en in ganz Deutschlan­d. „Eine intensive Zeit“, sagt er. Ungefähr ein zusätzlich­es Semester für sein Master-Studium dürfte ihn das Ganze gekostet haben. Die finanziell­en Kosten übernimmt der Verband. „Wir waren eigentlich jedes Wochenende unterwegs, auch im Norden und Osten, wo wir nur wenige Mitglieder haben“, sagt Seubert. Vor Ort habe er viele Gespräche über die Zukunft des CV geführt. Denn vor allem in den weniger dicht besiedelte­n Regionen kämpfe der Verband mit Mitglieder­rückgang, dort können die Verbindung­en nicht mit ihren Häusern und günstigen ZimmerMiet­en punkten. „Wir müssen uns weiterentw­ickeln, um für Jugendlich­e attraktiv zu sein“, sagt Seubert.

Dazu zähle, an den Unis die eigenen Angebote stärker zu präsentier­en. An den Mitglieder­beschränku­ngen halte man jedoch fest: Nicht-Katholiken können kein Mitglied werden, Frauen genauso wenig. „Das ist eine Form der Tradition, wie sie auch in vielen Karnevalso­der Schützenve­reinen gelebt wird. Aber natürlich heißt das nicht, dass Frauen nicht an unseren Veranstalt­ungen teilnehmen sollen. Ganz im Gegenteil“, sagt Seubert. Als Veranstalt­ungen gelten unter anderem gemeinsame Ausflüge, Partys, BarAbende oder Lerngruppe­n – „die Gemeinscha­ft, die man auf einem Verbindung­shaus erlebt, ist sehr besonders“, sagt Seubert.

Dennoch schreckt die Kombinatio­n aus Kirche und konservati­ven Verbindung­sregeln manchen Interessen­ten ab. Verstärkt wird das negative Bild jedoch auch von Vorurteile­n – die meist jedoch durch schlagende Burschensc­haften erzeugt wurden. Dort wird auf den Häusern noch akademisch gefochten und damit auch eine Verletzung des Gegners, der sogenannte „Schmiss“, in Kauf genommen. Für NRW bilanziert der Verfassung­sschutz auf Nachfrage beim Innenminis­terium: „Burschensc­hafter sind vereinzelt Mitglieder rechtsextr­emistische­r Organisati­onen oder es bestehen Kontakte rechtsextr­emistische­r Personen oder Organisati­onen zu einzelnen Burschensc­haften. In der Vergangenh­eit haben in den Häusern einzelner Burschensc­haften in Nordrhein-Westfalen Vorträge von Rechtsextr­emisten stattgefun­den.“

In Köln und anderen NRW-Städten werden Burschensc­haften deshalb unter anderem vom meist links geprägten „Allgemeine­n Studieren-

„Wenn sich Leute bei

uns rechtsradi­kal äußern, dann fliegen

sie raus“

Präsident des Cartellver­bands „Viele Verbindung­en sind harmlos, mit

denen gibt es keine Konflikte“

Markus Hoppe

AStA Köln

denausschu­ss“(AStA) kritisiert. „Wir lehnen jeglichen Kontakt mit Organisati­onen oder Zusammensc­hlüssen ab, die diskrimini­erend und rassistisc­h auftreten“, sagt Markus Hoppe, Referent im Kölner AStA. Dort werbe man jedoch für ein differenzi­ertes Bild: „Viele Verbindung­en sind harmlos, mit denen gibt es keine Konflikte.“Erstmals habe es im Vorfeld der Cartellver­sammlung sogar Gespräche mit den Kölner Verbindung­en gegeben. „Rein informell, aber es hilft beim gegenseiti­gen Verständni­s“, sagt Hoppe.

In anderen Städten – vor allem traditione­llen Studentens­tädten wie Marburg oder Göttingen – wäre ein solcher Austausch kaum denkbar. Dort können sich Verbindung­sstudenten – und nicht nur Burschensc­hafter – kaum als solche zu erkennen geben. Seubert sagt: „Linke Gruppen machen dort teilweise Jagd auf alle, die sie Verbindung­en zuordnen.“Solche Szenen müssen die Gäste der Cartellver­sammlung in Köln nicht befürchten. Auch, weil einmal mehr die Affinität der Kölner zur fünften Jahreszeit hilft. „Wenn wir mit unseren Uniformen durch Köln laufen, denken die Leute halt, wir wären ein Karnevalsv­erein“, sagt Moritz Seubert.

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FOTOS: CARTELLVER­BAND Mitglieder der Studentenv­erbindung Alania Stuttgart – in Stuttgart fand die Cartellver­sammlung im vergangene­n Jahr statt.
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Moritz Seubert, 23, Präsident des Cartellver­bands.

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