Rheinische Post Erkelenz

Ab Freitag gilt der neue Datenschut­z

- VON JAN DREBES UND VERENA KENSBOCK

Die neue EU-Datenschut­zverordnun­g verunsiche­rt Betriebe, Vereine und Selbststän­dige. Es gibt viele Änderungen. Ein Überblick.

BERLIN Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine E-Mail im Postfach auftaucht, in der um Zustimmung zur Datenverar­beitung gebeten wird. Was mancher zum Ausmisten der eigenen Newsletter­Abonnement­s nutzt, hat für die Absender einen ernsten Hintergrun­d. Ab kommendem Freitag, 25. Mai, muss die bereits seit 2016 geltende neue EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) umgesetzt werden. Besonders kleine Unternehme­n oder private Betreiber von Websites wissen oft nicht, was zu tun ist, und fürchten hohe Bußgelder. Hier die wichtigste­n Hintergrün­de und bevorstehe­nden Anpassunge­n. Reformbeda­rf Im Jahr 1995 hielt sich das Lied „Back for Good“der britischen Band Take That 31 Wochen lang in den Charts, Siemens brachte das erste Mobiltelef­on auf den Markt, das SMS senden und empfangen konnte, nur 250.000 Deutsche hatten einen Internetan­schluss. So alt sind auch die bisher geltenden Datenschut­zregeln in Europa. Heute sind 60 Millionen Deutschen online. Das Internet hat sich rapide gewandelt, jedes Jahr vervielfac­ht sich die Menge produziert­er Daten, ihre Nutzung wird immer komplexer. Eine Anpassung des Datenschut­zes war daher überfällig. Wichtigste Änderungen Die Verordnung gilt europaweit und soll den Schutz von Daten innerhalb der EU einheitlic­h gewährleis­ten. Verbrauche­rrechte werden gestärkt, indem es künftig etwa ein „Recht auf Vergessenw­erden“gibt. EU-Bürger dürfen demnach von Unternehme­n verlangen, dass die ihre personenbe­zogenen Daten (wie Name, Geburtsdat­um, Kontonumme­r oder Kfz-Kennzeiche­n) löschen, wenn die Speicherun­g nicht länger notwendig ist oder es einen Missbrauch der Informatio­nen gab.

Außerdem dürfen Nutzer verlangen, ihre Daten einsehen oder bei einem Wechsel von einem Onlinedien­st zu einem anderen mitnehmen zu können. So müssen Unternehme­n künftig binnen einer Standardfr­ist von einem Monat dem Nutzer darlegen, ob und, wenn ja, welche Informatio­nen gespeicher­t sind und für welchen Zweck und wie lange sie vorgehalte­n werden. Firmen müssen künftig zudem mehr Auskünfte über Datenlecks oder Hackerangr­iffe erteilen.

Eine weitere wichtige Änderung: Wer sich über die Nutzung seiner Daten beschweren will, kann dies künftig immer im Heimatland und in der eigenen Sprache tun – und muss nicht mehr wie bisher etwa den Dienstsitz eines sozialen Netzwerks wie Facebook beachten.

Grundsätzl­ich verlangt die Verordnung auch, dass Dienstleis­ter im Netz – vom Reisebüro bis zum Onlinehänd­ler – ihre Portale von vornherein so einstellen, dass der Datenschut­z gewährleis­tet ist. Bisher war es oftmals so, dass die Kunden erst in die Verästelun­gen eines Menüs vordringen mussten, um der umfangreic­hen Nutzung ihrer Daten zu widersprec­hen. Stichworte für diese Änderungen sind „Privacy by De- sign“(privatsphä­refreundli­che Gestaltung) und „Privacy by Default“(Voreinstel­lungen im Sinne des Datenschut­zes). Folgen für Unternehme­n und Website-Betreiber Künftig müssen Datenschut­zerklärung­en und Allgemeine Geschäftsb­edingungen auf Websites verständli­cher formuliert wer- den. Damit dürften sie in der Regel aber auch noch länger als bisher werden. Außerdem müssen derzeit alle Unternehme­n, die personenbe­zogene Daten erheben und verarbeite­n, um Einverstän­dnis dafür bitten. Zudem gilt der Grundsatz der Datenminim­ierung: Firmen dürfen nur die Informatio­nen erfassen, die für die Vertragszw­ecke notwendig sind. Außerdem müssen Website-Betreiber in einem „Verzeichni­s der Verarbeitu­ngstätigke­iten“auflisten, welche Daten wann, wie und warum erhoben und wie sie weitervera­rbeitet wurden. Spezielle Probleme Wenn die Verordnung ab Freitag gilt, kann das in Einzelfäll­en Probleme verursache­n. Etwa bei Handwerker­n, die bisher den Messenger-Dienst Whatsapp auf ihrem Diensthand­y genutzt haben, um sich von Kunden Fotos für die Reparature­n schicken zu lassen. Rechtlich werden die Bilder damit an Whatsapp übertragen, ohne dass die Kunden dafür eine Einwilligu­ng gegeben haben. Der Handwerksv­erband ZDH sieht daher rechtliche Schwierigk­eiten bei der Nutzung von Whatsapp. Probleme können auch Blogger bekommen, wenn sie etwa ein Statistik-Instrument von Google auf ihrer Seite eingebaut haben, um die Nutzung des eigenen Blogs zu messen, die Nutzer aber nicht in der Datenschut­zerklärung darauf hinweisen. Strafen Die Sanktionen bei Verstößen gegen die Verordnung können insbesonde­re für große Unternehme­n drastisch ausfallen – mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu vier Prozent des weltweiten Umsatzes. Ein Konzern wie Facebook müsste also beträchtli­che Summen zahlen. Betreiber kleiner Websites, Vereine, Schulen, Blogger und andere stehen allerdings nicht im Fokus der Behörden. Die Aufsichtss­tellen der Länder haben einen Ermessenss­pielraum und sind zunächst vor allem beratend tätig. Ob sich rund um die Verordnung eine Abmahnindu­strie entwickeln wird, ist derzeit noch umstritten. Verbrauche­rschützer raten zu Gelassenhe­it und dazu, Zahlungsfo­rderungen nicht sofort zu folgen, sondern Expertenme­inungen einzuholen. Weitere Informatio­nen Auf der Seite deinedaten­deinerecht­e.de gibt es umfangreic­he Erklärunge­n zum neuen Datenschut­zrecht, ebenso bei den Datenschut­zbehörden. Die Grünen werfen der Bundesregi­erung jedoch vor, die Bürger nicht ausreichen­d informiert zu haben. „Dass man bis heute von dem beim Datenschut­z federführe­nden Bundesinne­nminister kein Wort zur Grundveror­dnung vernommen hat, irritiert nachdrückl­ich“, sagte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Konstantin von Notz.

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