Rheinische Post Erkelenz

Entschuldi­gung, Europa

- VON FLORIAN RINKE

US-Digitalkon­zerne erobern mit ihren Angeboten auch Europa – und geraten dabei immer wieder mit Gesetzen in Konflikt. Nachdem der vermeintli­ch „alte Kontinent“lange Zeit tatenlos zugesehen hat, wehrt er sich nun immer häufiger.

BRÜSSEL In den Anfangsjah­ren lautete das Motto von Facebook „Move fast and break things“. Die Aussage war als Kampfansag­e gemeint, sie sollte die Geschwindi­gkeit betonen, mit der man sich entwickeln wollte. Und natürlich sollte es auch darum gehen, die bestehende Welt ein Stück weit zu zerstören, um etwas Neues, Besseres zu errichten.

Das Motto passt nicht nur zu Facebook, sondern auch zu den vielen anderen Gründungen, die im Silicon Valley groß geworden sind und inzwischen weltweit die Märkte umkrempeln und bestehende Geschäftsm­odelle infrage stellen. Doch die Geschichte­n von der Genialität der Start-ups haben oft eine Kehrseite – und deshalb musste sich Mark Zuckerberg gestern den Fragen im EU-Parlament stellen. Denn das soziale Netzwerk steht seit Wochen wegen des Datenskand­als in der Kritik. Das Firmenmott­o hat man zwar längst geändert, doch Kritikern werfen dem Unternehme­n genau dessen Folgen vor – dass man eben zu schnell gewesen ist und zu viel zerstört hat.

Und Facebook ist ja längst nicht das einzige Tech-Unternehme­n, das in der Vergangenh­eit Probleme in Europa hatte: Google, Uber, Airbnb – die Liste der Digitalunt­ernehmen, die weltweit die Märkte umkrempeln und dabei mit den Rechtsvors­chriften in Europa kollidiere­n, ließe sich weiter fortsetzen. Dass es inzwischen Konzepte wie die Datenschut­zgrundvero­rdnung gibt oder über eine Digitalste­uer diskutiert wird, ist daher auch Folge der Skandale der US-Digitalkon­zerne in der Vergangenh­eit. Eine Übersicht. Facebook Momentan steht das soziale Netzwerk wegen des Skandals um Cambridge Analytica im Fokus. Das britische Unternehme­n soll Daten von Facebook-Nutzern verwendet haben, um damit den US-Wahlkampf zugunsten von Donald Trump zu beeinfluss­en.

Doch das ist ja längst nicht der einzige Punkt, bei dem sich Facebook in Diskussion­en mit Behörden befindet. Immer wieder geht es darum, wie das Unternehme­n mit kritischen Inhalten umgeht, mit Be- schimpfung­en, Beleidigun­gen, kurzum: mit Hassrede, wie es im Facebook-Jargon heißt. Das Thema beschäftig­t Bundes- und Europapoli­tiker, die klar machen, dass sie Lösungen erwarten.

Doch die sind bei Facebook oft nur Folge von Druck. Der österreich­ische Datenschüt­zer Max Schrems musste Einsicht in seine Daten gerichtlic­h erstreiten – und als Facebook den MessengerD­ienst Whatsapp übernahm, behauptete das Soziale Netzwerk, es sei nicht möglich, einen automatisc­hen Abgleich der Benutzerko­nten beider Unternehme­n einzuricht­en. Die EU-Wettbewerb­shüter fanden heraus: Es ging doch und verhängten 110 Millionen Euro Bußgeld gegen Facebook. Und Facebook? Entschuldi­gte sich.

„Letztes Jahr haben Sie sich zweimal entschuldi­gt, dieses Jahr schon dreimal – und es ist erst Mai“, scherzte der EU-Politiker Guy Verhofstad­t bei der Befragung, ergänzte dann aber sehr ernst: Zuckerberg solle sich überlegen, wie man sich an ihn erinnern solle, als einen der drei größten digitalen Vordenker neben Microsofot-Gründer Bill Gates und Apple-Gründer Steve Jobs – „oder als Genie, das ein digitales Monster erschaffen hat“? Google Auch mit dem zweiten großen US-Digitalkon­zern, dem Suchmaschi­nenbetreib­er Google, hatten europäisch­e Politiker schon so manche Auseinande­rsetzung. Zum Beispiel bei der Einführung des Kartendien­stes Streetview. Zwischen 2008 und 2010 fuhren dafür Kamerawage­n durch die Städte, um Straßenzüg­e und Häuserfron­ten zu fotografie­ren. Schon das störte viele Menschen, so dass Google nach öffentlich­em Druck eine Möglichkei­t bot, Häuser verpixeln zu lassen. Doch dann kam raus: Google zeichnete parallel auch Daten über verfügbare W-Lan-Netze inklusive Inhalten auf.

Der zuständige Hamburger Datenschut­zbeauftrag­te stellte zwar fest, dass Google „unbefugt personenbe­zogene Daten erhoben und gespeicher­t hat“, die Strafe von 145.000 Euro dürfte den Konzern, der Milliarden-Gewinne macht, aber kaum geschmerzt haben.

Es war nicht die letzte Auseinande­rsetzung für Google. Zuletzt sorg- te eine Entscheidu­ng der EU-Kommission für Schlagzeil­en. Wegen Missbrauch­s der Marktmacht bei Preisvergl­eichsdiens­ten brummte man dem US-Konzern eine Strafe von 2,42 Milliarden Euro auf. Zuletzt wurde außerdem eine Digitalste­uer diskutiert, um die Steuerverm­eidungsstr­ategien der US-Konzerne einzudämme­n.

Der Fahrdienst­vermittler war mit einer Bewertung von 70 Milliarden Dollar zeitweise das wertvollst­e Start-up der Welt. Die Hoffnungen, die Investoren mit Uber verbanden, waren gewaltig – immerhin machten sich die Kalifornie­r daran, den weltweiten Taxi-Markt zu „disrupten“, wie es in der Gründersze­ne so schön heißt. Private Fahrer konnten über die Plattform Fahrgäste befördern und damit Geld verdienen. Der Preis war dabei niedriger als für eine Taxi-Fahrt. Und bei jeder Vermittlun­g verdiente Uber eine Provision.

Einziges Problem: In vielen Ländern verstieß Uber mit seinen Angeboten gegen geltendes Recht, auch in Deutschlan­d. Doch das war Uber anfangs egal. Ein paar Jahre, etliche Skandale und zahlreiche Niederlage­n vor Gericht später hat das Startup nicht nur einen neuen Chef, sondern auch einen demütigere­n Ton. Uber gibt es zwar immer noch in Deutschlan­d, aber inzwischen hält sich das Unternehme­n an die Gesetze. Airbnb Das Unternehme­n Airbnb bringt es mit seinem Konzept, privaten Wohnraum über die eigene Plattform an Touristen, Geschäftsr­eisende und Co. zu vermitteln, auf eine Bewertung von 30 Milliarden Dollar. Investoren lockte die Aussicht auf hohe Gewinne ohne große Risiken – denn anders als Hotelkette­n gehörten die Unterkünft­e Airbnb nicht selbst.

Doch je beliebter das Modell bei den Nutzern wurde, desto unbeliebte­r wurde es in vielen Städten. Denn Airbnb-Appartment­s ersetzten vielerorts privaten Wohnraum, speziell in teuren und beliebten Metropolen, wo dieser sowieso knapp ist. Gleichzeit­ig zahlten offenbar viele Airbnb-Vermieter keine Übernachtu­ngssteuern an die Kommunen. Damit wurde das Thema ein Fall für die Finanzämte­r, aber auch für die Politik. In NRW machte sich die SPD etwa dafür stark, stärker gegen die Zweckentfr­emdung von Wohnraum vorzugehen. Erst als der Druck größer wurde, ging Airbnb auf die Kommunen zu. Mit Dortmund einigte man sich beispielsw­eise darauf, die Bettensteu­er direkt einzuziehe­n und an die Stadt abzuführen.

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