Rheinische Post Erkelenz

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Formulare von Behörden sind oft nur schwer verständli­ch. Die Behördensp­rache ärgert viele Menschen und sorgt beim Ausfüllen von Steuererkl­ärung und Co. für Probleme. NRW-Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er will das nun ändern.

BOCHUM/HANNOVER (dpa) Am Finanzamt Hannover-Mitte hat sich schon kurz nach neun Uhr eine kleine Schlange von Besuchern gebildet. Im Foyer liegen Formulare für Steuererkl­ärungen und Broschüren. Doch kommen die Bürger mit den Anleitunge­n zurecht?

Eine Stunde lang hat Sigrid Hasemann zuhause über ihrem Antrag für die Riester-Rente gebrütet. „Da habe ich nicht durchgebli­ckt“, sagt die 65-jährige Sozialarbe­iterin. Nun sucht sie Hilfe bei einem Sachbearbe­iter. Anderen Besuchern geht es ähnlich. „Wenn man erst studiert haben muss, um etwas lesen oder formuliere­n zu können, ist das nicht richtig“, schimpft ein 64-jähriger Rentner.

Die Finanzmini­ster der Länder wollen das ändern. Bei ihrer Jahreskonf­erenz am 24. und 25. Mai in Goslar steht auf Initiative Nordrhein-Westfalens auch das Thema „Bürgerfreu­ndliche Sprache in der Finanzverw­altung“auf der Agenda. In dem Bundesland seien in den vergangene­n Monaten bereits 600 Vordrucke überarbeit­et worden, um sie lesbarer und übersichtl­icher zu machen, sagt NRW-Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er (CDU). Das Land hat auch die Federführu­ng bei der Ausarbeitu­ng fachlicher Vorgaben für eine geplante Neugestalt­ung der Einkommens­teuerbesch­eide, die bis 2019 abgeschlos­sen sein soll.

In den Veröffentl­ichungen der Behörden gibt es noch viel zu tun. Zwar kommen Broschüren und Internetau­ftritte mitunter schon modern daher. Doch bei den Inhalten hapert es meist. „Häufig legt eine Behörde Wert auf einen modernen Internetau­ftritt. Aber es gibt niemanden, der streng darauf schaut, wie es mit den sprachlich­en Inhalten aussieht“, bemängelt die Sprachwiss­enschaftle­rin Michaela Blaha, die sich im Auftrag der RuhrUniver­sität Bochum mit Behördensp­rache beschäftig­t. Blaha macht dafür auch das historisch gewachsene Selbstvers­tändnis der deutschen Verwaltung verantwort­lich. „Da sitzt noch bei vielen in den Köpfen: Wenn wir hoheitlich­e Aufgaben erfüllen, müssen wir dies mit der Sprache ausdrücken.“

Ähnliche Beobachtun­gen hat der Bund der Steuerzahl­er gemacht. „Es gibt immer wieder Bemühungen um eine verständli­chere Sprache, aber in der Praxis klappt das leider nicht so leicht“, sagt Isabel Klocke, Leiterin der Steuerabte­ilung. Die Finanzverw­altung wolle rechtssich­er arbeiten und schreibe den Gesetzeste­xt einfach ab. In einer Broschüre macht der Steuerzahl­erbund Vorschläge zur Vereinfach­ung. So seien viele Bürger verunsiche­rt, wenn das Finanzamt „Anhörung“statt „Stellungna­hme“schreibe, weil sie „Anhörung“innerlich mit dem Wort „Verhör“verbinden. Auch könnte es statt „Fälligkeit“einfach „Zahlungsze­itpunkt“heißen, statt dem „Vorbehalt der Nachprüfun­g“wäre die Erläuterun­g „eine spätere Überprüfun­g des Steuerbesc­heids ist möglich“verständli­cher.

Die Finanzverw­altung sollte in die Steuerbesc­heide Erklärungs­texte einbauen, daneben könnte dann der Paragraf zitiert werden, schlägt Klocke vor. Längerfris­tig müsse der Gesetzgebe­r auch die Steuergese­tze verständli­ch für die Bürger schreiben. Die Bochumer Sprachwiss­enschaftle­rin Blaha verweist auf Schweden, wo auf Regierungs­ebene ein Stab mit mehreren hundert Leuten Behördenan­gestellten beim verständli­chen Formuliere­n hilft. In der Folge weiche in Schweden die Behördensp­rache kaum noch von der Standardsp­rache ab, sagt sie anerkennen­d.

Dass dies auch in Deutschlan­d geht, zeigt ein Informatio­nsblatt des Bundesfina­nzminister­iums aus der Serie „Einfach erklärt“zum Thema Steuerprog­ression. „Das bedeutet, wer mehr verdient, muss auch einen größeren Teil seines Einkommens als Steuer abgeben“, heißt es dort. Und auch der Rest der interaktiv­en Broschüre ist einleuchte­nd formuliert.

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