Rheinische Post Erkelenz

Hofgang mit Rollator

- VON CORNELIA WYSTRICHOW­SKI

Eine 3sat-Dokumentat­ion zeigt, was der Alltag hinter Gittern für betagte Straftäter bedeutet.

DÜSSELDORF Sie halten sich beim Hofgang am Rollator fest, haben eine Matratze mehr im Bett als andere Sträflinge, und statt der Treppen dürfen sie den Gefängnisf­ahrstuhl nehmen: Wer in Deutschlan­d älter als 60 Jahre ist und eine Haftstrafe absitzen muss, der bekommt zwar kleine Erleichter­ungen – aber dennoch ist der Alltag im Gefängnis für ältere Menschen oft eine schwere Belastung. In der Dokumentat­ion „Senioren hinter Gittern“zeigt 3sat, wie der Alltag von älteren Gefängnisi­nsassen aussieht und welche Perspektiv­e die betagten Täter nach ihrer Haftentlas­sung haben.

Die Alterskrim­inalität in Deutschlan­d steigt seit Jahren an, und immer mehr Senioren sitzen im Gefängnis – einige von ihnen sind weit über 80. Viele Experten sehen das als logische Folge des demographi­schen Wandels – schließlic­h hat sich in Deutschlan­d der Anteil der Menschen im Rentenalte­r in den vergangene­n 40 Jahren verdoppelt, und somit werden auch die Straftäter immer älter. In Nordrhein-Westfalen etwa sitzen zurzeit rund 600 Senioren in Haft. Der Fernsehjou­rnalist Christian Bock geht der Frage nach, welche Folgen diese Entwicklun­g für den Strafvollz­ug und das Thema Resozialis­ierung hat.

Im Mittelpunk­t des Beitrags steht das Justizvoll­zugskranke­nhaus in Fröndenber­g an der Ruhr. In dem Gebäude war früher die städtische Klinik untergebra­cht, 1984 wurde es zum Krankenhau­s für Häftlinge umgebaut, mit speziellen Abteilunge­n eigens für Ältere und Pflegebedü­rftige. „Unter den Alten haben wir alles, vom Eierdieb bis zum Schwerverb­recher mit Sicherungs­verwahrung“, berichtet Anstaltsle­iter Joachim Turowski. „In der Regel sind die ungefährli­cher als jüngere Straftäter, dafür sind die Herausford­erungen bei der Pflege ungleich größer. Wir müssen uns auch mit dem Thema ‚Tod in Haft‘ auseinande­r- setzen. Wann kann jemand begnadigt werden, wann muss jemand in Haft sterben?“Besonders häufige Seniorende­likte sind Versicheru­ngsbetrug und Steuerhint­erziehung, Schwarzfah­ren und Trunkenhei­t am Steuer – schwere Körperverl­etzung kommt eher selten vor.

Im baden-württember­gischen Singen gibt es seit längerem sogar ein ganzes Gefängnis ausschließ­lich für ältere Häftlinge, und viele Vollzugsan­stalten haben zumindest eigene geriatrisc­he Abteilunge­n für betagte Insassen. Wenn die Altersgrup­pen getrennt voneinande­r untergebra­cht werden, ist sowohl den Senioren als auch den Jüngeren gedient: Die Senioren müssen keine Angst haben vor den jungen Männern, die ihnen körperlich oft überlegen sind – die Jüngeren müssen sich die Zelle nicht mit einem Rentner teilen, der womöglich dreimal pro Nacht auf die Toilette muss. „Senioren hinter Gittern“, 3Sat, 20.15 Uhr.

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FOTO: 3SAT Allein in NRW befinden sich derzeit etwa 600 Senioren in Haft.

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