Die letzten Tage von Oscar Wilde
Rupert Everett macht aus seiner Liebe zum Werk des englischen Dichters einen Film: „The Happy Prince“ist großartig.
(dpa) Die Liebe zur Schönheit und zum Genuss kann Menschen ins Verderben stürzen – das ist eine Lehre aus Oscar Wildes Werk. Man denke nur an seinen Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“aus dem Jahr 1891: Die Hauptfigur lebt in ewiger Jugend. An ihrer Stelle altert nur ihr Abbild auf einem Gemälde. Gray wird über die Jahre zum Mörder, letztlich paranoid – doch während sich sein Gesicht auf dem Porträt analog zu seinem Verhalten zur
Sein Glück wird er nicht mehr finden, das Zuchthaus hat ihn ruiniert
hässlichen Fratze formt, bleibt Gray makellos und jung.
Auch in Wildes eigenem Leben fand die Lehre vom Schönen, das sich ins Dunkle wendet, traurige Anwendung. Wilde – in jungen Jahren als sprachbegabter Ästhet gefeiert – wurde in seinen letzten Lebensjahren in der prüden viktorianischen Gesellschaft wegen seiner Liebe zu Männern verachtet. Er starb 1900 im Alter von 46 Jahren verarmt in Paris.
Der britische Schauspieler Rupert Everett hat sich in „The Happy Prince“nun dieser letzten Jahre Wildes angenommen – und eine kunstvoll inszenierte Filmbiografie daraus gemacht. Sie ist so schön wie bedrückend anzusehen.
Everett selbst spielt die Hauptrolle, führte Regie und schrieb das Drehbuch. In jeder Minute wird deutlich, wie wichtig dem 58-Jährigen dieses Anliegen war – Wildes Ehre auf der Leinwand gewissermaßen wiederherzustellen, noch einmal sein weites Herz und seine tiefe Liebe zu allem Schönen zu zeigen.
Er verkörpert den verarmten irischen Schriftsteller mit liebevoller Hingabe. Schwerfällig schnaufend – schon von diversen Krankheiten gezeichnet – versucht er, im Paris der Jahrhundertwende noch einmal das Leben zu genießen. Absinth, Kokain, freie Liebe.
Die Vermutung liegt nahe, dass Wildes Schicksal Everett persönlich betroffen gemacht hat. Everett selbst hat in der Vergangenheit betont, sein offenes Bekenntnis zu seiner Homosexualität habe seiner Karriere geschadet.
In Wildes Leben wurde die Reaktion der Öffentlichkeit auf seine Liebe zu Männern zum Trauma. 1895 ver- urteilte ein Schwurgericht ihn wegen homosexueller Aktivitäten zu zwei Jahren Zuchthaus und Zwangsarbeit. Seine Stücke wurden abgesetzt, ein Rede- und Schreibverbot verhängt.
Er sollte sich nicht mehr davon erholen. Eine zentrale und immens eindringliche Szene des Films zeigt, wie Wilde – der doch ein Liebhaber von Seidenstrümpfen, breitkrempigen Hüten und Lippenstift war – mit geschorenem Kopf und Häftlingskleidung auf seinen Transport ins Zuchthaus wartet. Die Leute am Bahnhof beschimpfen ihn und spucken ihn an.
Die Stigmatisierung suchte Oscar Wilde auch nach seiner Freilassung heim. Nach seiner Haftzeit zog er nach Paris. Bilder von Leuten, die ihn dort argwöhnisch beobachten oder verfolgen, ziehen sich durch den Film.
Doch auch Wilde selbst beobachtet seine Mitmenschen und seine Umwelt in „The Happy Prince“. Seine Liebhaber werden ihm zu gerahmten Objekten, zu Statuen, an deren Anmut er sich ergötzt. Etwa, wenn er sich hinter den Klippen versteckt, um seinen selbstverliebten Liebhaber Lord Alfred Douglas im Wasser zu betrachten.
Sein Glück kann Wilde in Frankreich nicht mehr finden. Auch das
Deutschland/Belgien/Italien 2017 – Regie: Rupert Everett, mit Rupert Everett, Colin Firth, Colin Morgan, Edwin Thomas, Emily Watson, 105 Minuten, FSK ab 12
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