Rheinische Post Erkelenz

Rom hat gesprochen

- VON BENJAMIN LASSIWE

Streit um den Kommunione­mpfang von konfession­sverschied­enen Paaren stellt sich der Vatikan gegen die Deutsche Bischofsko­nferenz. Rückschrit­te bei der Ökumene darf sich die katholisch­e Kirche jedoch nicht leisten.

ROM „Roma locuta, causa finita.“„Rom hat gesprochen, die Angelegenh­eit ist erledigt.“So war es früher, wenn ein Streit aus der katholisch­en Kirche den Weg nach Rom fand und der Papst ein Machtwort sprach. Und ein bisschen scheint es auch am Montag so gewesen zu sein: Denn in der Debatte um die konfession­sverschied­enen Ehepaare und ihre Zulassung zur katholisch­en Eucharisti­e hat der Präfekt der Glaubensko­ngregation, Luis Ladaria, ein Machtwort gesprochen. In einem Brief an den Vorsitzend­en der Katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz, Reinhard Kardinal Marx, schreibt er, dass die von den deutschen Bischöfen vorbereite­te Handreichu­ng zum Kommunione­mpfang von konfession­sverschied­enen Paaren „noch nicht reif zur Veröffentl­ichung sei“.

Für viele engagierte Christen beider Konfession­en ist das ein schwerer Schlag. Denn die Erwartunge­n waren groß, als die deutschen Bischöfe bei ihrer Frühjahrs-Vollversam­mlung in Ingolstadt mit einer 75-Prozent-Mehrheit beschlosse­n hatten, dass unter ganz bestimmten Ausnahmere­geln auch evangelisc­he Ehepartner von Katholiken zur katholisch­en Eucharisti­e zugelassen werden sollen. Es schien, als wäre die Ökumene zwischen den Kirchen nach Ende des Lutherjahr­es einen großen Schritt vorangekom­men. Doch nach und nach wurden die innerkatho­lischen Widerständ­e deutlich: Unter Leitung des Erzbischof­s von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, schrieben sieben Bischöfe einen Brief nach Rom. Sie baten um nochmalige Überprüfun­g. Und auch hier schien es zunächst so, als hätte der Vatikan nur wenig einzuwende­n: Nach einem Treffen in Rom, an dem Vertreter beider Seiten teilnahmen, hieß es zunächst, der Vatikan würde die Angelegenh­eit zur Entscheidu­ng nach Deutschlan­d zurückgebe­n. Doch seit Montag ist klar: Nennenswer­ten Spielraum haben die Bischöfe wohl nicht mehr. Denn das Schreiben aus Rom ist ziemlich eindeutig. Ladaria würdigte zwar das Bemühen der deutschen Bischöfe um die Ökumene. Doch das Thema der Kommunionz­ulassung evangelisc­her Ehepartner sei von weltkirchl­icher Relevanz und habe Auswirkung­en auf die Beziehunge­n zu anderen Kirchen, die nicht zu unterschät­zen seien. Deswegen wollten sich nun zunächst die römischen Dikasterie­n mit der Angelegenh­eit beschäftig­en. Womit sich der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki und die übrigen nach Rom schreibend­en Bischöfe mit ihren Zweifeln durchaus bestätigt fühlen können. Schließlic­h haben sie immer mit der Sorge um eine einheitlic­he Regelung in der katholisch­en Weltkirche argumentie­rt. Doch die Aussage, das Urteil über „das Vorliegen einer drängenden, schweren Notlage“dem Diözesanbi­schof überlassen zu wollen, zeigt eben auch: Ein Stoppzeich­en für die Ökumene ist das Schreiben aus Rom auch nicht. Es ist der Versuch, Tempo aus der Angelegenh­eit zu nehmen. Kronzeuge dafür ist der Landesbisc­hof der evangelisc­hen Nordkirche, Gerhard Ulrich. Als Präsident des Deutschen Nationalko­mitees des Lutherisch­en Weltbundes hatte er am Montag eine Audienz bei Papst Franziskus und sprach auch das Thema der konfession­sverschied­enen Paare deutlich an. „Wir wünschen uns, dass die katholisch­e Ortskirche in Deutschlan­d vom Vatikan ermutigt wird, hier Schritte nach vorn zu gehen.“Franziskus indes äußerte sich dazu nicht. Doch er forderte Fortschrit­te in der Ökumene. „Wir sollen weitergehe­n und so viele Menschen wie möglich mitnehmen“, zitiert Ulrich den Papst. „Natürlich forderte Franziskus auch, dass wir nicht ungestüm vorpresche­n sollen – dieser Satz war aber nicht auf die deutsche Situation der konfession­sverschied­enen Ehen bezogen und bedeutet kein Stoppsigna­l.“

Einer allerdings hat aus Rom ein deutliches Stoppsigna­l erhalten: Kardinal Marx, der bislang in ziemlich barocker Herrlichke­it die Bischofsko­nferenz regierte. Als etwa in Ingolstadt die Entscheidu­ng der Bischöfe zu der geplanten Handreichu­ng fiel, war Marx alleine vor die Presse getreten. In anderen Organisati­onen hätte ein Vertreter der Minderheit eine Möglichkei­t erhalten, neben Marx auch sein Votum zum Ausdruck zu bringen. In einem vom christlich­en Miteinande­r aller Beteiligte­n geprägten, kollegial arbeitende­n Gremium wie der Deutschen Bischofsko­nferenz ist das freilich ganz und gar undenkbar. Stattdesse­n werden Briefe nach Rom geschriebe­n, Dokumente durchgesto­chen und Intrigen gesponnen. Und spätestens seit Montag ist klar: Rom gefällt das ganz und gar nicht. Auch hier wird Ladarias Brief deutlich: „Es ist dem Heiligen Vater ein großes Anliegen, dass in der Deutschen Bischofsko­nferenz der Geist bischöflic­her Kollegiali­tät lebendig bleibt.“Marx, dessen Amtszeit 2020 endet, muss sich zügig etwas einfallen lassen, sollte er nennenswer­tes Interesse an einer Wiederwahl haben.

Vorerst allerdings kündigte Marx weitere Gespräche in Rom und mit dem Papst an. Und auch die Herbst-Vollversam­mlung der Bischofsko­nferenz wird weiter beraten. Denn dass beim Thema konfession­sverschied­ene Paare gar nichts vorangeht, kann sich die Kirche im Prinzip auch nicht mehr leisten. Schließlic­h sind diejenigen, die das Verbot, gemeinsam zum Abendmahl oder zur Eucharisti­e zu gehen, überhaupt noch schmerzt, meist auch diejenigen Christen, die sich über viele Jahre in den Gemeinden engagiert haben. Es sind die Hochverbun­denen, die die Kirche am Leben erhalten. Auf diese Menschen ist man aber angewiesen, soll die Kirche erfolgreic­h wachsen: Denn jede Neuevangel­isierung wird fehlschlag­en, wenn Menschen, die den Weg zurück zur Kirche finden, in den Gemeinden auf eine Ansammlung von Dauerfrust­rierten treffen, die vor lauter Ärger über ihre Bischöfe die Freude am Glauben längst verloren haben.

Ein Stoppzeich­en für die Ökumene ist das Schreiben nicht. Es ist der Versuch, Tempo herauszune­hmen

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