Rheinische Post Erkelenz

Ohne Behandlung eine „tickende Zeitbombe“

- VON EVA-MARIA GEEF

Vorwurf des versuchten Mordes und gefährlich­er Körperverl­etzung in der Unterkunft Petersholz: Freispruch aufgrund einer schizophre­nen Erkrankung. Asylbewerb­er bleibt in der Psychiatri­e.

WEGBERG Im Prozess gegen einen irakischen Asylbewerb­er wurde der Sachverstä­ndige gehört. S. (28) wird versuchter Mord sowie gefährlich­e Körperverl­etzung vorgeworfe­n. Im August 2017 soll er während der Essensausg­abe in der Unterkunft Petersholz zwei Mitbewohne­rn mit einem Küchenmess­er angegriffe­n haben. Beide erlitten Schnittver­letzungen von bis zu 25 Zentimeter­n Länge in Bauch und Rücken. Das Sicherheit­spersonal konnte mit Hilfe anderer Bewohner S. überwältig­en.

Am vierten Prozesstag wurde der Kriminalbe­amte befragt, der S. vernommen hatte. „Es war eine bedrückend­e Stimmung im Raum“, erinnert sich der 59-jährige Beamte K. „S. hatte während der gesamten Befragung einen starren Blick, wirkte äußerlich ruhig, aber abwesend und wie in einer Einbahnstr­aße gefangen.“Immer wieder habe S. betont, dass es um ein gestohlene­s Handy gegangen sei, und dass er diesen Raub habe rächen wollen. Das Messer habe er in einem nahegelege­nen Kaufhaus besorgt, mit dem Vorsatz, die beiden Geschädigt­en zu schlagen. „Auf meine Nachfrage, was der Begriff Schlagen in Verbindung mit einem Messer bedeuten soll, hat er geantworte­t: Nicht schlagen. Ich wollte sie töten“, so der Polizist. Darüber sei der Dolmetsche­r und auch er erschrocke­n, da immer von einer Körperverl­etzung gesprochen worden sei. S. habe mit einer großen Rücksichts­losigkeit gesprochen und immer wieder Gerechtigk­eit als Be- gründung angeführt: „Dann muss ich das tun, der muss weg.“

Der Sachverstä­ndige bescheinig­t S. eine schwere Schizophre­nie. „Er äußerte wahnhafte Ideen, erzählte, Jesus und Gott seien ihm erschienen“, sagt ein Facharzt für Psychiatri­e. Er sei von Gott auserwählt, dieser habe zu ihm gesprochen. Das Denken von S. beschreibt er als formal gestört. Das Motiv sei eine wahnhafte Vorstellun­g, dass Jesus ihm aufgetrage­n habe, die Männer zu töten. Da er dies nicht habe tun wollen, sei Jesus Hand zu dem Messer geworden. Neben einer aufgehoben­en Steuerungs­fähigkeit zeige S. keine Einsicht in seine Krankheit oder die Notwendigk­eit, Medikament­e zu

Kammer nehmen. Nach dem Ende der Beweisaufn­ahme folgten die Plädoyers: Der Staatsanwa­lt erklärte, dass der von den Zeugen geschilder­te Sachverhal­t der Anklagesch­rift entspreche, die von versuchtem Mord und gefährlich­er Körperverl­etzung sprach. Da S. durch die Schizophre­nie wahnhaft gehandelt habe, und seine Steuerungs­fähigkeit gemindert gewesen sein, plädierte er auf schuldunfä­hig. Die chronische Erkrankung ergebe Behandlung­snotwendig­keit und den Verbleib in einer psychiatri­schen Einrichtun­g. Während der Verteidige­r auf Freispruch plädierte, folgte die Kammer der Staatsanwa­ltschaft. S. sei ohne weitere Behandlung eine „tickende Zeitbombe“, bei der großes Risiko bestehe, dass er erneut Körperverl­etzungen begehe. „In dem Zustand, in dem er sich heute befindet, ist er für die Allgemeinh­eit gefährlich.“

„In dem Zustand, in dem er sich heute befindet, ist er für die Allgemein

heit gefährlich“

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