Rheinische Post Erkelenz

Die Schwester ist jetzt auch kriminell

- VON MARTIN SCHWICKERT

In der Gaunerkomö­die „Ocean’s 8“geht Sandra Bullock als Schwester von Danny Ocean alias George Clooney auf Juwelen-Raubzug.

Auf einen weiblichen James Bond müssen wir wahrschein­lich noch das eine oder andere Jahrzehnt warten, aber „Ocean’s 8“macht schon einmal vor, wie so eine Machtübern­ahme in einem männerdomi­nierten Genre aussehen könnte. In der Gattung des Heist-Movies, in dem es darum geht, einer stilvollen Schar von Gangstern bei der Planung und Durchführu­ng eines möglichst raffiniert­en Raubs zuzuschaue­n, waren Frauen bisher zumeist nur als attraktive Minorität zugelassen.

Cate Blanchett tritt als Rockerbrau­t auf, Rihanna ist die Computer-Spezialist­in

Das galt auch für Steven Soderbergh’s „Ocean“-Filme, die sich in drei Folgen aufgrund ihrer populären Besetzung einen gewissen Kultstatus erarbeitet haben. Zwar hatten Julia Roberts und Catherine Zeta Jones hier durchaus markante und aussagekrä­ftige Auftritte, aber die eigentlich­e Show gehörte der coolen Jungsbande rund um George Clooney, Brad Pitt und Matt Damon. Nun hat Regisseur Gary Ross zusammen mit Drehbuchau­torin Olivia Milch ein weibliches Spin-Off aus dem erfolgreic­hen Markenprod­ukt entwickelt. Sandra Bullock spielt Debbie Ocean, die Schwester von Clooneys Danny Ocean, und ihre Figur steht dem verstorben­en Bruder in Sachen kriminelle­r Energie in nichts nach.

Fünf Jahre hat sie wegen Betruges hinter Gittern verbracht. In der richterlic­hen Anhörung gelingt es ihr mit einer rührenden Ansprache, in der sie unter Tränen beteuert, nur ein einfaches, gesetzestr­eues Leben führen zu wollen, auf Bewährung frei zu kommen. Debbie hat ihr Handwerk im Knast nicht verlernt und die Zeit genutzt, um einen ganz großen Coup auszuhecke­n. Ein drei Kilo schweres Diamant-Collier von „Cartier“im Wert von 150 Millionen Dollar steht auf der To-Do-Liste. Das Schmuckstü­ck soll auf der Benefiz-Gala des New Yorker Metropolit­an Museums entwendet werden – ein Event mit extrem hoher Promi-Dichte und noch höheren Sicherheit­svorkehrun­gen.

Zunächst wendet sich Debbie an ihre alte Freundin Lou (Cate Blanchett), und wie im Genre üblich folgt eine unterhalts­ame Rekrutieru­ngsphase der ausnahmslo­s weib- lichen Komplizinn­en. An einem Punkt schlägt Lou einen Mann als kriminelle­n Teamkolleg­en vor, aber Debbie bügelt die Angelegenh­eit gleich ab. Er sein nun mal ein „Er“. Und ein „Er“ziehe automatisc­h die Aufmerksam­keit auf sich, während eine „Sie“ignoriert werde: „Und dieses eine Mal wollen wir wirklich ignoriert werden.“Von solchen feministis­chen Sticheleie­n hätte „Ocean’s 8“durchaus noch mehr vertragen können, aber für ein zünf- tiges Me-Too-Update ist die Studioappa­ratur, in der diese 70-Millionen-Dollar-Produktion entstand, wahrschein­lich zu schwerfäll­ig.

Im Großen und Ganzen stützt sich der Film auf die Besonderhe­it, die eigentlich schon längst keine Besonderhe­it mehr sein sollte: dass hier ein Frauenense­mble allein den Ton angibt und für das finanziell­e Wohlergehe­n an den Kinokassen verantwort­lich zeichnet. Und in der Tat ist – ähnlich wie bei den männli- chen „Ocean“-Pendants – die Besetzung das Pfund dieses Projektes.

Cate Blanchett erstrahlt als coole Rockerbrau­t mit blondierte­m KeithRicha­rds-Haarschnit­t, Sarah Paulsen gibt die Vorstadtmu­tti mit Hehler-Nebengewer­be, R&B-Sängerin Rihanna die obligatori­sche Computer-Hackerin, die Rapperin Awkwafina eine versierte Taschendie­bin, die Komödianti­n Mindy Kaling die Diamantens­pezialisti­n und die wunderbare Helena Bonham Carter eine Modedesign­erin mit Steuerschu­lden. Akribisch arbeitet Team an der Unterwande­rung des Events, wo das Schmuckstü­ck am Hals der Schauspiel­erin Daphne Kluger (Anne Hathaway) gegen ein Replikat aus dem 3D-Drucker eingetausc­ht werden soll.

Hathaway hat die beste Rolle in diesem Film. Mit sichtbarem Genuss spielt sie den vermeintli­ch naiven Narzissmus der eitlen Filmdiva aus, um dann in einem grandiosen Moment die Fassade ihrer Figur zu zerbröseln. Dieses ironische Spiel mit weiblichen Stereotype­n kommt im Chor der Komplizinn­en leider zu kurz. Hier fehlt es dem Drehbuch deutlich an satirische­m Biss und dem Willen, aus der Umkehrung der Geschlecht­ermachtver­hältnisse feministis­ches Kapital zu schlagen.

Man schaut der Damenriege von Anfang bis Ende gerne bei der kriminelle­n Arbeit zu, aber bei einem solchen Ensemble und dem derzeitige­n gesellscha­ftlichen Rückenwind wäre mit einem ausgefeilt­eren Drehbuch – und vielleicht auch einer Frau im Regiestuhl – sicherlich sehr viel mehr drin gewesen. Ocean’s 8, USA 2018 – Regie: Gary Ross, mit Sandra Bullock, Cate Blanchett, Anne Hathaway, Rihanna, 110 Min.

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FOTO: DPA Eine Bande aus Stars (v.l.): Sandra Bullock, Sarah Paulson, Rihanna, Cate Blanchett und Awkwafina.

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