Rheinische Post Erkelenz

Gestrandet­e Liebe

- VON DOROTHEE KRINGS

Ian McEwans bittere Verpassens­geschichte „Am Strand“mit Saoirse Ronan.

Liebe hat die Kraft, soziale Klassen zu überwinden. Es ist anrührend, das in der Literaturv­erfilmung „Am Strand“nach dem Roman von Ian McEwan mitzuerleb­en. Wie der ungestüme Landlehrer-Sohn Edward nach Oxford kommt und bei einer Versammlun­g von Friedensak­tivisten Florence kennen lernt, eine höhere Tochter im zitronenge­lben Sommerklei­d, die etwas Ernstes im Gesicht hat, das Edward gefällt. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Und tiefes Verständni­s und Zutrauen auf den zweiten. Die beiden sind übermütig, verschwöre­risch, zärtlich, und so kann Edward aushalten, dass er in Florences snobistisc­her UpperClass-Familie von oben herab behandelt wird. Und Florence findet eine unverkramp­fte Art, mit Edwards Mutter umzugehen. Die hat bei einem Unfall eine Gehirnverl­etzung erlitten, lebt seitdem in ihrer eigenen Künstlerin­nenwelt, und das Haus der Familie versinkt in malerische­m Chaos.

Florence und Edward kann das alles nichts anhaben, sie sind einander ja gewiss – bis zum Tag ihrer Hochzeit. Nach der Feier fahren sie an die Küste von Dorset, und die Hochzeitsn­acht schickt so viel Beklemmung voraus, dass selbst Chuck Berrys „Roll over Beethoven“die beiden nicht entkrampfe­n kann.

„Am Strand“ist einer der bittersten Romane des Bestseller-Autors Ian McEwan. Denn er beschreibt darin mit sanfter Unerbittli­chkeit, wie zwei Menschen von den Verklemmun­gen ihrer Zeit und den Verletzung­en ihrer Kindheit eingeholt werden. Das Glück erscheint ständig in greifbarer Nähe, doch bleibt es unerreichb­ar für zwei Liebende, die sich von ihren Ängsten und Kränkungen gefangen nehmen lassen. So geschehen Dinge, werden Sätze gesprochen, die sich nicht ungeschehe­n machen lassen – und ausstrahle­n auf ein ganzes Leben.

Die Irin Saoirse Ronan hat schon als Teenager in einer Ian-McEwanVerf­ilmung mitgespiel­t und für ihre unheimlich­e Eindringli­chkeit in „Abbitte“eine Oscarnomin­ierung erhalten. Gerade zeigt sie auch als rebellisch­e Tochter in Greta Gerwigs „Lady Bird“, wie bezwingend sie sich in ihre Figuren verwandelt. Auch als Florence trifft sie den Ton, ist einerseits die selbstbewu­sste, kluge Frau, die den Dünkel ihrer Familie durchschau­t und sich ganz auf die Liebe zu Edward einlässt. Doch lebt sie in den 60er Jahren eben noch in einer Zeit, da bestimmte Dinge nicht angesproch­en werden – nicht mal vor sich selbst. Und so können sie zu unbewältig­ten Traumata werden. Auch Billy Howle ist ein kraftvolle­r, lebendiger Edward, dem man seine Gefühle abnimmt. Allerdings spielen beide gegen eine betuliche Inszenieru­ng an. Man spürt, dass Regisseur Dominic Cooke sonst am Theater inszeniert, jede Szene ist bei ihm ein überdeutli­ch arrangiert­es Kammerspie­l. Wenn das frisch verheirate­te Paar etwa von feixenden Kellnern im Zimmer bedient wird, zeigt die Kamera immer wieder die verkrampft­en Hände und Füße von Florence, während sich Edward über dem Tisch durch stammelnde Monologe kämpft. Andeutunge­n hätten da mehr Beklemmung erzeugt, aber auch so ist diese Geschichte einer verhindert­en Liebe herzzerrei­ßend. Am Strand, GB 2018 – Regie: Dominic Cooke, mit Saoirse Ronan, Billy Howle, Emily Watson, 105 Min.

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FOTO: DPA Saoirse Ronan als Florence und Billy Howle als Edward

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