Rheinische Post Erkelenz

Ein Mann reitet durch den Schmerz

- VON IRIS AUDING

„The Rider“erzählt von einem Cowboy, der sich beim Rodeo verletzt.

(dpa) „The Rider“wirkt wie ein Western: Prärie, Pferde, Lasso, Lagerfeuer, Cowboys. Die Geschichte benutzt die Klischees des Genres, um sie dann zu brechen. Es geht um Brady Blackburn: Der junge Mann verletzt sich beim Rodeo schwer. Der Unfall stürzt ihn in eine Lebenskris­e. Regisseuri­n Chloé Zhao, die auch das Drehbuch geschriebe­n hat, ist ein berührende­s Werk gelungen. „The Rider“erscheint fast wie eine Dokumentat­ion, denn die Darsteller spielen sich selbst.

Hauptdarst­eller Brady Jandreau weiß sehr gut, worum es geht: Auch er wurde beim Rodeo lebensgefä­hrlich verletzt, als ein Pferd auf seinen Kopf trat. Alles drehte sich um Reiten und Rodeo – genauso wie im Film: Der Cowboy Brady Blackburn lebt mit seinem Vater Wayne (Tim Jandreau) und seiner Schwester Lilly (Lilly Jandreau) in South Dakota in dem Indianerre­servat Pine Ridge. Die Familie kommt gerade so über die Runden, der Vater hat Schulden, der Trailer ist noch nicht abbezahlt. Die Mutter ist bereits gestorben.

Seit der Operation trägt Brady eine Metallplat­te im Schädel, hat eine riesige Narbe. Er hängt rum, kifft, schaut Cartoons und Rodeo im Fernsehen. Auch seine Kumpels wirken verunsiche­rt: „Du hörst doch nicht auf?“– sie versuchen, ihn aufzumunte­rn: „Ein Mann reitet durch den Schmerz“. Mit dem Vater gibt es Streit, denn der glaubt nicht, dass sein Sohn wieder reiten kann.

Deswegen will er auch dessen Pferd verkaufen, die Familie braucht Geld. Welche Möglichkei­ten bleiben Brady abgesehen von Pferden und Rodeo? Wenige, denn in der ärmlichen Gegend gibt es kaum Jobs. Schließlic­h heuert er im Supermarkt an und räumt Regale ein. Wirklich anfreunden kann sich der Mann damit nicht. Doch ihm fällt auch nichts anderes ein. Die Szene in einem Pfandhaus, an das Brady seinen Sattel verkaufen will, illustrier­t das überdeutli­ch: Der Cowboy kann sich einfach nicht trennen und dreht wieder um.

Der Film erzählt das in ruhigen und zurückhalt­enden Bildern, immer wieder ruht sich der Blick der Kamera in der Landschaft aus. Die Welt des Rodeos und des Reitens fasziniert, sie verspricht Preisgeld und Freiheit, aber zu ihr gehören auch Risiko und Gnadenlosi­gkeit. Tief verwurzelt in Bradys Welt ist auch der Mythos vom Cowboy und seinem Pferd. All diese Dinge werden einigen Menschen zwar fremd sein, aber in „The Rider“geht es um etwas Universell­es: Wie geht jemand mit einer Krise um, wenn der Lebenstrau­m zerplatzt und ein neuer Weg gefunden werden muss? Brady versucht es als Pferdetrai­ner. Doch seine Hand, die ständig verkrampft, macht ihm Probleme. Eine Ärztin sagt ihm ohne Umschweife: kein Reiten, keine Rodeos mehr.

Ein warnendes Beispiel ist sein Freund Lane Scott (Lane Scott), der seit einem Unfall beim Rodeo im Rollstuhl sitzt, sich kaum noch bewegen und nur per Zeichenspr­ache verständig­en kann. Brady besucht ihn in einer Klinik, erinnert ihn an seine Zeit als Bullenreit­er, lässt ihn Zügel halten – emotionale Bilder, die so manchen Zuschauer zu Tränen rühren dürften. The Rider, USA 2017 – Regie: Chloé Zhao, mit Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau, 104 Min.

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FOTO: DPA Brady Jandreau in „The Rider.

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