Der Überforderte
Horst Seehofer hätte sich mit seinem Abgang in Bayern aus der Politik zurückziehen können. Aber er wollte seine Mission zu Ende bringen.
Im sonnigen Hof des Innenministeriums riecht es nach Reibekuchen und Bier. Einmal im Jahr lädt der Minister zum Pressefest. Es riecht aber auch nach Ärger. Minister Horst Seehofer steht im dunklen Anzug inmitten der Journalisten und erklärt seine Sicht der Dinge auf den Konflikt mit der Kanzlerin. Wie so oft lächelt er viel, witzelt herum und versprüht Optimismus, dass er sich mit Angela Merkel schon noch einigen werde. zu lassen. 2002 war Seehofer nach einer verschleppten Grippe an einer Herzmuskelentzündung erkrankt, die ihn fast das Leben gekostet hätte.
Aber Seehofer machte weiter, wurde Landwirtschaftsminister unter Merkel, überstand politisch nur knapp seine außereheliche Affäre, wurde CSU-Vorsitzender, bayerischer Ministerpräsident und eroberte für die CSU in Bayern die absolute Mehrheit zurück.
Von Beginn seiner politischen Karriere an fiel er mit einem Politikansatz auf, der den Volkswillen in der Flüchtlingspolitik zu Ende führen. Er übernahm das Innenministerium, um endlich umzusetzen, was die CSU seit zwei Jahren verspricht: den Zustrom von Flüchtlingen stark zu begrenzen. Und da in Bayern gerade eine Landtagswahl ansteht, verhandelte sich Seehofer auch noch die Zuständigkeiten für Heimat und für Bauen in sein Ressort. Beim Thema Bauen hat er im Blick, mit dem Baukindergeld positive Stimmung für die CSU zu machen. Der Bereich Heimat soll ein beruhigendes Gegengewicht zur globalisierten und sich so rasant wandelnden Welt sein.
Doch Seehofer ist in seinem Riesenressort überfordert: acht Staatssekretäre, 2000 Mitarbeiter, rund 20 nachgeordnete Behörden. Noch nie war ein Ministerium so groß wie dieses. Während er an seinem „Masterplan“bastelte, sind ihm die Verhandlungen um das Baukindergeld entglitten. Der Bereich Heimat befindet sich auch nach mehr als 100 Tagen noch im Aufbau. In Brüssel ziehen sie bereits die Augenbrauen hoch über diesen neuen deutschen Innenminister, der noch nie aufgetaucht ist und offensichtlich nicht so gerne reist.
In der CDU heißt es hinter vorgehaltener Hand, dass das Aushandeln bilateraler Abkommen eigentlich der Job eines Innenministers oder seiner Mitarbeiter, jedenfalls nicht der Kanzlerin sei. Die Ministerpräsidenten und Innenminister der Länder wiederum beklagen sich, Seehofer fordere zwar Ankerzentren, um an einem Ort Flüchtlinge zu registrieren und ihre Asylverfahren abzuwickeln sowie sie von dort im Fall negativer Asylbescheide auch wieder abschieben zu können – ein klares Konzept dafür habe er bisher aber nicht vorgelegt.
Auch wenn die Zeiten ruhiger wären, hätte sich Seehofer mit diesem Superministerium zu viel aufgehalst. Nun fehlt ihm erst recht die Zeit, sich in die vielen komplizierten Details einzuarbeiten. Als er vergangene Woche mit den Spitzen von CDU und SPD um seine Migrationspolitik rang, ließ er sich auf Detaildebatten nicht ein. Als Finanzminister Olaf Scholz Seehofers Vorstellung systematisch zusammenfassen wollte, stand er auf und verabschiedete sich von der Runde.
Weggefährten und Widersacher beschreiben ihn in solchen Runden als sprunghaft. Man wisse oft nicht, was er ernst meine. So muss es auch dem CSU-Vorstand am späten Sonntagabend gegangen sein, als Seehofer anbot, als Innenminister und als CSU-Chef abzutreten. Am Montagabend war dann wieder alles ganz anders. Seehofer verkündete, er bleibe Innenminister. Die Union habe sich im Streit über die Flüchtlingspolitik geeinigt.