Linksnationalist gewinnt Wahl in Mexiko
Andrés Manuel López Obrador will die Ungerechtigkeit in Mexiko bekämpfen. Doch es ist fraglich, was der neue Präsident in dem von Korruption und Gewalt zerfressenen Land ausrichten kann. Und dann ist da ja noch Donald Trump.
MEXIKO-STADT Lange hatten sie warten müssen auf dem historischen Platz in Mexiko-Stadt, dann schließlich nach Mitternacht kam der strahlende Wahlsieger Andrés Manuel López Obrador und hielt seine erste Rede als neu gewählter Präsident Mexikos. Vor ihm ein buntes Flaggenmeer – die mexikanische sowie jene rot-weiße der relativ jungen Bewegung Morena. Mit jener linken Sammelbewegung hat der ehemalige Bürgermeister von Mexiko-Stadt die politischen Verhältnisse in Mexiko auf den Kopf gestellt. Vor vier Jahren gegründet, ist sie inzwischen die stärkste politische Kraft im zweitgrößten lateinamerikanischen Land nach Brasilien.
Nach López Obradors erster Rede strömten die Menschen zum „Engel der Unabhängigkeit“in Mexiko-Stadt, um weiterzufeiern. Viele weiterhin mit Tröten und Flaggen ausgestattet, die auch während der Fußballweltmeisterschaften im Einsatz sind. „Es ist eine Ehre, mit Obrador zu sein“, riefen seine Anhänger. López Obrador holte laut Hochrechnungen rund 53 Prozent der Stimmen und wird damit Mexiko in den nächsten sechs Jahren mit einem satten Rückenwind regieren können.
Mit ihm – so kündigte er noch Montagnacht (Ortszeit) an – werde es einen tiefgreifenden Wandel geben: „Wir werden Mexiko verändern.“Das alles werde aber auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit geschehen, versprach López Obrador. Es werde weder eine versteckte noch eine offene Diktatur geben. So versuchte er jenen Kräften den Wind aus den Segeln zu nehmen, die einen Wandel Mexikos hin zu einer sozialistischen Diktatur nach venezolanischem Vorbild befürchten.
Zweimal war López Obrador schon angetreten, 2006 und 2012, doch erst jetzt hatte es geklappt. Damals hatte er nach den Wahlniederlagen jeweils von Wahlbetrug gesprochen. Nach seinem eigenen Sieg hatte er am Wahlsystem nichts mehr auszusetzen. „Das wichtigste Versprechen ist, keine Korruption und Straflosigkeit zu erlauben. Wir werden die Korruption ausrotten“, sagte López Obrador in einem kurzen Fernsehinterview. Es folgte eine recht turbulente Fahrt durch Mexiko-Stadt, bei der sein Volkswagen, Modell Jetta, zunächst von allzu aufdringlichen Reportern arg ramponiert wurde.
„López Obrador steht für den Versuch, eine Sozialdemokratie zu etablieren, die es so in Mexiko und Lateinamerika noch nicht gibt, aber die man in dieser Form in Deutschland oder in Europa seit über 100 Jahren kennt“, sagt Enrique Dussel Peters von der Universität Unam in Mexiko-Stadt im Gespräch mit unserer Redaktion.
Auf den neuen starken Mann Mexikos wartet nun ein großer Berg an Problemen. Da ist der sich abzeichnende Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten: US-Präsident Donald Trump will die aus den USA nach Mexiko abgewanderten Arbeitsplätze zurückholen und den Freihandelsvertrag Nafta neu aushandeln. Hinzu kommt seine Drohung, eine Mauer zwischen beiden Ländern zu bauen, die Mexiko auch noch bezahlen soll. López Obrador übte noch im Wahlkampf scharfe Kritik an seinem Vorgänger Enrique Peña Nieto. Er solle die Interessen Mexikos stärker vertreten. Nun wird López Obrador selbst in den Nahkampf mit Trump gehen müssen.
Am Wahlabend aber schwieg er weitgehend zu dem Thema. Von zentraler Bedeutung wird dabei auch der Umgang mit der Flüchtlingsbewegung aus Mittelamerika sein. Aus den bettelarmen Mittelamerika-Staaten El Salvador, Guatemala und Honduras durchqueren zahlreiche Migranten Mexiko mit dem Ziel USA. Trump wirft Mexiko vor, an seiner Südgrenze zu wenig dagegen zu tun. López Obrador will eine menschlichere Grenzpolitik. Wie genau die aussehen soll, hat er allerdings noch nicht verraten.
Auch in der Anti-Drogen-Politik gehen die Vorstellungen mit denen der amerikanischen Nachbarn weit auseinander. Während López Obrador im Wahlkampf eine Amnestie für Drogenbosse ins Spiel brachte, ist in Washington eher eine Null-Toleranz-Politik angesagt. „150.000 Tote in den vergangenen zehn Jahren haben gezeigt, dass die militärische Lösung nicht funktioniert“, so Dussel Peters. Das zentrale Versprechen von López Obradors Präsidentschaft ist aber der Kampf gegen die Korruption und die Straflosigkeit, die eine effektive Eindämmung der Armut behinderten. Er wolle künftig jeden öffentlichen Bauauftrag überprüfen lassen, kündigte López Obrador an.