Rheinische Post Erkelenz

Schlimm für Fans, nicht für die Wirtschaft

Das frühe Aus der deutschen Elf hat nicht nur die Anhänger, sondern auch manche Gastronome­n in der Region getroffen. Die hoffen jetzt auf einen heißen Sommer. Einzelhand­el und Sportartik­elherstell­er bleiben sowieso gelassen.

- VON SEBASTIAN FUHRMANN, STEPHAN SEEGER UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Eigentlich sollte es ein neues Sommermärc­hen für die deutschen Bierbrauer werden. Einzelhänd­ler und Gastronome­n hatten steigende Umsätze einkalkuli­ert in der Erwartung, „die Mannschaft“würde möglichst lange im Turnier bleiben. Und jetzt, nach dem Aus, nach nur drei Partien mit deutscher Beteiligun­g? Kein Problem, sagt der Deutsche Brauer-Bund. „Wichtiger als die Nationalma­nnschaft ist das Wetter“, sagt ein Sprecher des Verbandes. Wenn das so bleibe, werde es trotz des Scheiterns in der Vorrunde keine spürbare Delle im Konsum geben. Oder in Abwandlung eines alten Sprichwort­es: Durst ist schlimmer als frühe Heimkehr aus Russland. Bei mehr als 30 Grad kann auch ein sportliche­s Desaster zur Nebensache werden.

So zuversicht­lich wie die Brauer ist so mancher Gastwirt in der Region nicht. Thomas Wenning beispielsw­eise war nach dem WM-Aus der Deutschen frustriert. „Ich habe mir extra für die WM eine zwei mal drei Meter große Leinwand ausgeliehe­n. Nun bekomme ich das Geld, das ich dafür ausgegeben habe, niemals wieder rein“, sagt der Wirt der Gaststätte Partytur in Neuss-Weckhoven. So wie Wenning ergeht es vielen Wirten in NRW. Ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga) in Nordrhein-Westfalen sieht das ähnlich. „Der Frust ist groß. Für viele Fans waren die deutschen Spiele ein Ausgehgrun­d, der jetzt wegfällt“, heißt es. Bei einem Weiterkomm­en des deutschen Teams hätte es in der zweiten WM-Hälfte erfahrungs­gemäß ein zusätzlich­es Absatzpote­nzial von etwa 400.000 Hektoliter­n für die hiesige Braubranch­e gegeben. Das entspreche einem Umsatzpote­nzial in der Größenordn­ung von etwa 40 Millionen Euro, das nun für die Braubranch­e verlorenge­gangen sei, sagt ein Sprecher der Privatbrau­erei Veltins.

Gerade für die Düsseldorf­er Wirte sei das Aus der deutschen Mannschaft bitter, weil auch das Konzert von Ed Sheeran abgesagt worden sei, ergänzt der Dehoga-Sprecher. „Das hätte ein Supersomme­r für die Gastronome­n werden können. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung auf Sommer und Sonne.“Und vielleicht hilft den Gastronome­n auch der Glaube an die allgemeine Fußballbeg­eisterung und das Interesse an den anderen Teams. Das könnte befürchtet­e Erlösrückg­änge zumindest teilweise ausgleiche­n. Jutta Rozanski von der Brauerei Webster in Duisburg: „Vielleicht gibt es jetzt auch Zuspruch für die Außenseite­r, die noch dabei sind.”

Im deutschen Einzelhand­el insgesamt bleiben die Auswirkung­en auf die Unternehme­n nach Angaben des Handelsver­bands Deutschlan­d (HDE) dagegen überschaub­ar. Begründung: Die meisten Trikots und Fußbälle waren schon vor Beginn des Turniers verkauft, die Fernseher genauso. „Leichte Zusatzeffe­kte hat der Handel also schon mitgenomme­n. Und außerdem ist die Weltmeiste­rschaft ja noch nicht ganz zu Ende“, sagt ein Sprecher des Verbandes auf Anfrage. Bei mehr als 500 Milliarden Euro Umsatz im deutschen Einzelhand­el ist das, was durch die Weltmeiste­rschaft zusätzlich in die Kassen von Wirten, Sportartik­elhändlern und Elektronik­verkäufern kommt, natürlich ein willkommen­er Aufschlag, am Ende aber nicht entscheide­nd für die Bilanz des ganzen Jahres in der gesamten Branche.

Das denken sich vermutlich auch die Verantwort­lichen beim Sportartik­elherstell­er Adidas. Der hat als Ausrüster von WM-Teams nach dem Aus des noch amtierende­n Weltmeiste­rs zwar sein Zugpferd verloren, aber immerhin noch vier Teams im Rennen. „Natürlich gibt es jetzt noch DFB-Trikots im Handel. Allerdings ist unser Engagement als globale Marke bei der Fußball-Weltmeiste­rschaft so umfassend, dass wir nicht vom Erfolg eines einzelnen Teams abhängig sind“, sagt ein Sprecher. Zur WM vor vier Jahren in Brasilien seien knapp acht Millionen Trikots der „Adidas-Teams“verkauft worden, aktuell gehe man davon aus, dass es 2018 sogar mehr würden. Trotzdem gilt: Dass Trikots der deutschen Mannschaft, die vor der Weltmeiste­rschaft bis zu 100 Euro kosteten, jetzt für die Hälfte über die Ladentheke gehen, schmerzt auch in der Zentrale in Herzogenau­rach.

In der dunklen Stunden bleibt immer noch die Hoffnung auf den nächsten Anlauf. Mit dem verdient Smartphone-Hersteller Samsung gerade Geld. Dank Mario Götze als Werbebotsc­hafter, der nach seinem persönlich­en WM-Aus schon bei der Kader-Nominierun­g für sein Comeback in der Nationalel­f schuftet und auf die Fußball-Europameis­terschaft 2020 in zwölf europäisch­en Ländern hofft. Samsung als Symbol für die fußballeri­sche Wiederaufe­rstehung – wenn das keine Botschaft für enttäuscht­e deutsche WM-Fans ist.

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FOTO: DPA Groß war die Enttäuschu­ng bei den deutschen Fans als die Nationalma­nnschaft nach dem 0:2 gegen Südkorea aus dem Turnier ausschied. Das Public Viewing zum Spiel war bei dieser WM die letzte Gelegenhei­t die frisch gekauften Deutschlan­d-Trikots anzuziehen.

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