Rheinische Post Erkelenz

Thyssenkru­pp ohne Stahl ab 2025 möglich

Drei Aufsichtsr­äte stimmten nicht für Hiesingers Pläne: Jens Tischendor­f, René Obermann, Carola von Schmettow. Der Druck wächst.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Von einem „historisch­en Meilenstei­n“sprach Heinrich Hiesinger am Montag, als er Details zur Stahl-Fusion nannte. In der Tat: Der Thyssenkru­pp-Chef stellt die Weichen, um ein Kapitel über 200-jähriger Industrieg­eschichte zu beenden. 1811 wurde Krupp als Gussstahl-Fabrik in Essen gegründet. Seither waren Krupp und Stahl eins. Nun lagert Hiesinger den Stahl mit 27.000 Mitarbeite­rn in ein Joint Venture aus, in das Tata 21.000 Mitarbeite­r einbringt. Die Eigentümer können es an die Börse bringen und versilbern. Thyssenkru­pp hat sich nur verpflicht­et, die Mehrheit sechs Jahre zu halten. Thyssenkru­pp ohne Stahl - früher undenkbar, nun absehbar.

Auf Krisen hat die deutsche Stahlbranc­he stets mit Fusionen reagiert, bis nur noch wenige übrig blieben. 1973 fusioniert­en Thyssen und Rheinstahl, 1992 schluckte Krupp den Rivalen Hoesch. 1999 kam es nach einer dramatisch­en Schlacht zur Megafusion Thyssen und Krupp. Mit Salzgitter kam man nicht zusammen, nun fusioniere­n die Essener mit den Indern zur neuen Nummer zwei in Europa.

Bei einem Börsengang der „Thyssenkru­pp Tata Steel“sollen die Deutschen 55 Prozent der Erlöse erhalten, Tata 45 Prozent. Das ist das Ergebnis von Nachverhan­dlungen, die Thyssenkru­pp auf Druck des Großaktion­ärs Cevian erreicht hat. Dies soll der Schwäche der Werke Rechnung tragen, die Tata in die Ehe einbringt (Port Talbot, Ijmuiden). Die geplanten Einsparung­en fallen mit 500 Millionen Euro geringer aus Zahl der Beschäftig­ten, Produkte (Auswahl) als geplant, als von bis zu 600 Millionen Euro die Rede war. Das verstimmte am Montag die Anleger. Die Thyssenkru­pp-Aktie fiel um ein Prozent.

Auch für Hiesinger, der 2011 das Steuer in Essen übernommen hat, wird es nicht leichter. Zwei Jahre hat er gebraucht, um den Deal durchzubri­ngen. In der langen Aufsichtsr­atssitzung am Freitag haben gleich drei der zehn kapitalsei­tigen Aufsichtsr­äte nicht für seine Pläne gestimmt: Rohstahl, Autostahl GROSSBRITA­NNIEN NIEDERLAND­E Rohstahl, Autostahl, Baustahl

Jens Tischendor­f, Vertreter der Großaktion­ärs Cevian, der 18 Prozent der Thyssenkru­pp-Aktien hält, und Ex-Telekom-Chef René Obermann waren dagegen, wie es in Konzernkre­isen heißt. Carola Gräfin von Schmettow, Chefin der Düsseldorf­er Bank HSBC Deutschlan­d, hat sich demnach enthalten. Die drei sollen unter anderem Zweifel an der Nachhaltig­keit der Pläne haben. HSBC und Thyssenkru­pp wollten dazu keine Stellung nehmen. Elektroban­d für Automotore­n Zentrale DEUTSCHLAN­D

Klar ist: Hiesinger hat seine Pläne nur mit Hilfe der Arbeitnehm­erbank durchsetze­n können. Die hat im Gegenzug eine Beschäftig­ungsund Standortsi­cherung bis 2026 herausgeha­ndelt. Bis dahin darf es keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n geben. Im Joint Venture können mittelfris­tig bis zu 4000 Stellen wegfallen. Details dazu gibt es noch nicht.

Hiesinger verteidigt­e seine Pläne: „Wir schaffen etwas Großes.“Das Joint Venture sei eine Antwort auf die Probleme der Branche: große Überkapazi­täten weltweit, US-Schutzzöll­e, die auch in Europa Arbeitsplä­tze bedrohten.

Cevian reicht das alles nicht. Die Schweden fordern, auch den Restkonzer­n (137.000 Mitarbeite­r) zu zerschlage­n und die Industries­parten (Aufzüge, Anlagenbau, Werften, Wertstoffh­andel) auf Effizienz zu trimmen. „Jetzt ist es dringend notwendig, die Gelegenhei­t zu nutzen, um die erhebliche und andauernde Underperfo­rmance der Industries­parten zu beseitigen“, so Cevian. Für jede Sparte müsse konsequent geprüft werden, welche Struktur und Eigentumsv­erhältniss­e am besten seien. „Maßgabe für die Restruktur­ierung muss die industriel­le Logik sein – und nicht Tabus, geschichtl­iche Entwicklun­g, Emotionen oder persönlich­e Ambitionen.“

Und nicht nur Cevian heizt dem Konzernche­f ein. „Herr Hiesinger muss schleunigs­t den Konzernumb­au vorantreib­en, damit Thyssenkru­pp noch vor dem nächsten Konjunktur­abschwung wetterfest gemacht wird“, sagte Ingo Speich, Fondsmanag­er bei Union Investment. Nächste Woche kommt der Aufsichtsr­at erneut zusammen, um Hiesingers Pläne für den Restkonzer­n zu beraten. Es wird erwartet, dass der 58-Jährige ein Sparprogra­mm auflegt. Laut Konzernkre­isen soll es vor allem die Zentrale in Essen treffen. Im Restkonzer­n sollen nochmal einige Hundert Millionen eingespart werden. Zugleich sucht Thyssenkru­pp Käufer - für die Werftentoc­hter und womöglich auch für den Werkstoff-Handel (19.000 Mitarbeite­r).

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