Rheinische Post Erkelenz

Geheimniss­e eines Wüstenreic­hs

Eine neue BBC-Dokumentat­ion bietet Einblicke in die Herrschaft­sstrukture­n Saudi-Arabiens.

- VON NADA WEIGELT

Berlin

(dpa) Für viele Frauen in Saudi-Arabien war es ein historisch­er Tag – endlich durften sie Auto fahren. Die kürzliche Aufhebung des Fahrverbot­s durch Kronprinz Mohammed bin Salman (32) im Juni galt manchem Beobachter als der Anbruch einer neuen Zeit im islamisch-konservati­ven Königreich. Doch wie weit ist es her mit der Reformbere­itschaft? Gibt es in einem der reichsten und mächtigste­n Länder der Welt tatsächlic­h Hoffnung auf ein Ende von Willkür, Korruption und Gewalt?

Die BBC-Produktion „Geheimes Saudi-Arabien“(2017) geht diesen Fragen in beeindruck­ender Gründlichk­eit nach. Mit hochkaräti­gen Experten, mutigen Zeitzeugen und investigat­ivem Filmmateri­al gibt Autor Mike Rudin einen spannenden Einblick in die ideologisc­hen und finanziell­en Verstricku­ngen des saudischen Herrscherh­auses. Die dreiteilig­e Dokumentat­ion ist an diesem Donnerstag um 21 Uhr auf ZDFinfo zu sehen.

Das Öl ist Saudi-Arabiens flüssiges Gold. Lange galt das Wüstenreic­h dem Westen als Stabilität­sanker in der Region. Wird das unter dem neuen Kronprinze­n so bleiben? „Ich fürchte, die Arabische Welt ist seit fünf Jahren auf dem Weg in ein Inferno“, lautet das beunruhige­nde Resümee des Nahost-Experten Bruce Riedel. Als Grund sieht Autor Rudin den unbedingte­n Führungsan­spruch Saudi-Arabiens in der islamische­n Welt, vor allem gegenüber dem Erzrivalen Iran.

Deshalb finanziere der wichtige Verbündete des Westens seit Jahrzehnte­n mit Milliarden und Abermillia­rden aus dem Ölgeschäft den islamistis­chen Extremismu­s, sagt er. Der erste Teil der Dokumentat­ion („Auf den Spuren des Terrors“) verfolgt das akribisch vom Bosnienkri­eg über die Terroransc­hläge vom 11. September bis nach Afghanista­n, Syrien, Indien, Palästina und zuletzt den Jemen.

Die zweite Folge „Auf der Spur des Geldes“schildert an mehreren Beispielen die unvorstell­baren Summen, mit denen sich Mitglieder des saudischen Königshaus­es Geschäfte mit dem Westen vergolden lassen. Allein bei einem Rüstungsde­al mit Großbritan­nien in den 80er Jahren sollen sieben Milliarden Euro „Provisione­n“geflossen sein. Die Ermittlung­en wurden eingestell­t.

Der im vergangene­n Jahr von König Salman neu ernannte Kronprinz hat ein ehrgeizige­s Programm gegen die Korruption verkündet. Im November ließ er 500 der reichsten Männer des Landes bei einer Razzia verhaften, darunter elf Prinzen der Königsfami­lie. Dagegen stellt der Film die Bilder vom eigenen Reichtum des jungen De-facto-Herrschers, der sich locker eine 400-Millionen-Euro-Yacht leisten kann.

Teil drei schließlic­h geht unter dem Titel „Aufbruch und Unterdrück­ung“den zwiespälti­gen Signalen nach, die der Kronprinz sendet. Vor allem junge Saudis hoffen der Dokumentat­ion zufolge auf sein Reformprog­ramm. Gleichzeit­ig werden unter seinem strikten Regime Andersdenk­ende nach wie vor verhaftet, verfolgt oder gar geköpft. Allein für Beleidigun­g des Königs drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Über diesen Mann hätte man sich in der mehr als zweistündi­gen Dokumentat­ion mehr Informatio­nen gewünscht. Wer ist er? Was treibt ihn an? Doch auch das gehört zur Wahrheit dieser Geschichte: Das Königshaus hat sich jeglicher Mitarbeit oder Stellungna­hme verweigert.

„Freunde mit Fehlern“, so nennt der frühere CIA-Direktor David Petraeus die Verbündete­n im Wüstenreic­h und fügt mit Blick auf den jungen, unerfahren­en Prinzen hinzu: „Wenn Saudi-Arabien instabil würde, wäre das eine Katastroph­e für den Nahen Osten und für die gesamte Welt.“

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FOTO: DPA Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman steht für einen vorsichtig­en Reformkurs im islamisch-konservati­ven Königreich, das jedoch weiterhin strikt gegen Andersdenk­ende vorgeht.

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