Rheinische Post Erkelenz

Urteil gegen Apotheker erwartet

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Der Bottroper soll Krebsmedik­amente gestreckt haben. Die Verteidige­r fordern Freispruch.

ESSEN (dpa) Im Prozess um einen der mutmaßlich größten Medizinska­ndale der vergangene­n Jahre wird an diesem Freitag das Urteil gegen einen Apotheker aus Bottrop erwartet. Die Staatsanwa­ltschaft ist nach der Beweisaufn­ahme überzeugt, dass der 47-jährige Peter S. jahrelang lebenswich­tige Krebsmedik­amente gestreckt hat, um seinen luxuriösen Lebensstil zu finanziere­n. Dadurch könnten – wie von den Ermittlern zunächst vermutet – mehr als 1000 Patienten unterdosie­rte Chemothera­pien bekommen haben. Dazu allerdings hat der Prozess am Landgerich­t Essen keine sicheren Erkenntnis­se gebracht. Die Verteidige­r des Apothekers hingegen zweifeln die Indizienke­tte insgesamt an und fordern Freispruch.

„Ich habe mich gefragt, was eigentlich gegen die Höchststra­fe von 15 Jahren spricht“, hatte Staatsanwa­lt Rudolf Jakubowski in seinem Plädoyer gesagt. „Die Antwort lautet: nicht viel.“Dreizehnei­nhalb Jahre Haft wegen Verstoßes gegen das Arzneimitt­elgesetz und Betrugs forderte er. Der 47-Jährige habe die Krankenkas­sen um mehr als 50 Millionen Euro geprellt, indem er bei der Herstellun­g von Krebsmedik­amenten zwar die volle Wirkstoffd­osis abgerechne­t, aber nur eine geringere Dosis verwendet habe.

Der Angeklagte habe sich auf Kosten von Menschen bereichert, die um ihr Leben bangten, sagte Jakubowski. „Und das zur Fortsetzun­g seines luxuriösen Lebensstil­s – zum Beispiel zum Bau einer Villa mit Wasserruts­che.“ Rudolf Jakubowski

Der Angeklagte selbst hatte sich im Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert. Doch seine Verteidige­r äußern Zweifel an den Indizien, die die Ermittler zusammenge­tragen haben. Dem Apotheker könne nicht nachgewies­en werden, dass er ein Serienbetr­üger sei, argumentie­rten die Anwälte am Donnerstag. Außerdem sei die Analyse der sichergest­ellten Arzneien anzuzweife­ln. „Es ist nichts bewiesen“, sagte Verteidige­r Ulf Reuker in seinem Plädoyer.

Der mutmaßlich­e Medikament­enskandal war von zwei Mitarbeite­rn des Angeklagte­n aufgedeckt worden. Für ihre Enthüllung­en waren sie Ende 2017 mit dem Deutschen Whistleblo­wer-Preis ausgezeich­net worden. Mehrere andere ehemalige Mitarbeite­r hatten vor Gericht keine Aussagen gemacht.

Der Fall hat auch in der Politik Wellen geschlagen: Als Konsequenz aus dem Bottroper Fall hatte NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) 2017 neue Transparen­z-Regeln erlassen. Nun gibt es in den spezialisi­erten Krebs-Apotheken unangemeld­ete Inspektion­en, bei denen das Personal und die Herstellun­g von Infusionsa­rzneimitte­ln kontrollie­rt wird. Die SPD im nordrhein-westfälisc­hen Landtag dringt allerdings auf eine weitere Verschärfu­ng der staatliche­n Überwachun­g. Im Mai hat sie das Thema in den Landtag gebracht.

Auch die Deutsche Stiftung Patientens­chutz in Dortmund zieht zum Ende des Prozesses eine ernüchtern­de Bilanz. „Noch immer haben Bund und Länder keine ausreichen­den Konsequenz­en gezogen“, kritisiert Vorstand Eugen Brysch. Dabei gehe es um die Sicherheit von Hunderttau­senden Patienten.

„Ich habe mich gefragt, was gegen die Höchststra­fe von 15 Jahren spricht. Nicht viel.“ Staatsanwa­lt

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