Rheinische Post Erkelenz

Deutsche Sprinter jagen das Gelbe Trikot

Marcel Kittel und André Greipel wollen bei der Tour de France gleich zum Auftakt zuschlagen, doch die Konkurrenz ist namhaft.

- VON CHRISTOPH SICARS

BERLIN (dpa/RP) Marcel Kittel baut keine Luftschlös­ser. „Die Wiederholu­ng der Erfolge des superkrass­en Jahres 2017 sind unrealisti­sch“, sagte der 30 Jahre alte Radprofi vor Beginn der 105. Tour de France am kommenden Samstag in Noirmoutie­r. Fünf Tageserfol­ge konnte der Thüringer bei der Frankreich-Rundfahrt 2017 bis zu seiner Aufgabe auf der 17. Etappe einfahren. Insgesamt 14 Etappensie­ge stehen in Kittels Vita – so viele wie bei keinem anderen deutschen Radprofi. Auch in diesem Jahr ist ein Tageserfol­g trotz eines mageren Frühjahres – mit lediglich zwei Siegen bei der italienisc­hen Fernfahrt Tirreno-Adriatico – das primäre Ziel des neuen Kapitäns von Katusha-Alpecin. „Mein Ziel ist wie in jedem Jahr, eine Etappe zu gewinnen“, erklärte der Wahlschwei­zer ganz bescheiden.

Mit einem Sieg bei der Auftakt-Etappe am Samstag über 199 Kilometer von der Atlantikin­sel Noirmoutie­r nach Fontenay winkt dem Tagessiege­r das erste Gelbe Trikot der diesjährig­en Tour. „Ich habe die letzten Kilometer abgefahren. Da ist ein bisschen Pfeffer drin, am Schluss mit vielen Richtungsä­nderungen und die letzten 200 bis 300 Meter ansteigend“, sagte Kittel. Gelb zum Auftakt schaffte der Sunnyboy aus Arnstadt zwar 2013 und 2014, „dieses Jahr war nicht mein bestes der Karriere, deswegen sehe ich mich auch nicht als Favoriten in den Sprints“, sagte Kittel.

In den vergangene­n Jahren machten die Sprinter die Frankreich-Rundfahrt zur „Tour d´Allemagne“. 25 Etappensie­ge konnten Kittel (14) und André Greipel (11) seit 2011 einfahren. Der gebürtige Rostocker vom belgischen Team Lotto Soudal ging im Vorjahr erstmals seit seinem Tour-Debüt vor sieben Jahren leer aus und will sich mit Erfolgen für einen neuen Vertrag empfehlen.

Bei der Deutschen Meistersch­aft in Einhausen gingen Kittel und Greipel leer aus. Beim Sieg des jungen Pascal Ackermann musste sich Greipel mit Platz vier, Kittel mit Rang zehn zufrieden geben. Zumindest John Degenkolb konnte als einziger Tour-Teilnehmer als Zweiter auf das Podium sprinten. Erstmals seit 2012 wird man bei der „Großen Schleife“ das Trikot mit dem schwarz-rot-goldenen Brustring vergeblich suchen – der neue deutsche Straßenmei­ster Ackermann wurde vom deutschen Bora-hansgrohe-Rennstall nicht nominiert.

Vor allem für Kittel und seine deutschen Teamkolleg­en gab es nach der Generalpro­be in Südhessen Redebedarf. „Im Sprint ist irgendwas schief gelaufen. Marcel war nicht an meinem Rad, und ich habe ihn nicht gesehen. Da müssen wir noch einmal drüber sprechen“, meinte Kittels letzter Anfahrer Rick Zabel. In Frankreich sollen der Sohn des einstigen Sprintstar­s Erik Zabel wie auch seine Landsleute Tony Martin und Nils Politt Kittel als Lokomotive zum erhofften Tagessieg verhelfen.

Seinen ersten Tour-Etappensie­g hat auch Degenkolb noch nicht abgeschrie­ben, auch wenn der Mailand-Sanremo- und Paris-Roubaix-Sieger 2015 seit seinem schweren Trainingsu­nfall 2016 weiter auf der Suche nach der Topform ist. „Nach sechs Jahren ist es natürlich mein großer Traum, endlich meine erste Tour-Etappe zu gewinnen“, sagte der 29-jährige Trek-Segafredo-Profi. „Aber ich versuche relativ entspannt daranzugeh­en, wenn es nicht klappt, dann eben nicht. Ich fühle mich frisch und guter Dinge“, ergänzte der Thüringer. Im Frühjahr hatte Degenkolb noch eine Schleimbeu­tel-Verletzung im Knie ausgebrems­t.

Doch Kittel und die anderen deutschen Fahrer müssen sich auf der Jagd nach Tagessiege­n auf Zweierlei gefasst machen.

Zum einen warten schwierige Strecken, die allen voran Martin bereits kritisiert hat: Gerade die erste Anfahrt provoziere „Positionsk­ämpfe und Stürze“. Zum anderen gibt es namhafte Konkurrenz. Nach seinem Tour-Ausschluss 2017 giert Weltmeiste­r Peter Sagan (Slowakei) nach Erfolgen auf Asphalt. Der Australier Michael Matthews aus dem deutschen Sunweb-Team möchte sein Grünes Trikot mit möglichst vielen Tageserfol­gen verteidige­n. Auch der Niederländ­er Dylan Groenewege­n, im Vorjahr Sieger der Schlusseta­ppe in Paris, der Franzose Arnaud Démare oder der mit 30 Tageserfol­gen noch aktive Tour-Rekord-Etappensie­ger Mark Cavendish (Großbritan­nien) sind die großen Herausford­erer.

Abzuwarten bleibt auch, wie sich der viermalige-Toursieger Chris Froome drauf ist. Der Radsportve­rband UCI hat die Ermittlung­en nach Dopingvorw­ürfen eingestell­t. Der 33-Jährige ist startberec­htigt und tritt für Team Sky in die Pedale.

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FOTO: AP 6. Juli 2017: Marcel Kittel (r.), André Greipel (Mitte) und der Franzose Arnaud Demare (l.) sprinten auf der sechsten Etappe der Tour de France Richtung Ziel.

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