Rheinische Post Erkelenz

Investoren lassen Hiesinger fallen

Heinrich Hiesinger beugt sich dem Druck von Investoren wie Cevian. Schon seinen Tata-Deal hat er nur mit Hilfe der Arbeitnehm­er durchsetze­n können, weil drei Aufsichtsr­äte nicht für ihn stimmten. Die Aktie steigt.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND ANTJE HÖNING

ESSEN Heinrich Hiesinger hat gekämpft. Zwei Jahre brauchte er, um die angeschlag­ene Stahlspart­e (27.000 Mitarbeite­r) in eine Fusion zu führen und den Restkonzer­n (130.000 Mitarbeite­r) in eine bessere Zukunft. Doch die Zweifel der Eigentümer wuchsen. Am Freitag waren schon drei der zehn kapitalsei­tigen Aufsichtsr­äte nicht für seine Stahlfusio­ns-Pläne: Der schwedisch­e Investor Cevian und René Obermann, früher Telekom-Chef und heute Partner beim Investor Pincus Warburg, stimmten laut Konzernkre­isen gegen ihn. Carola von Schmettow, Chefin von HSBC Deutschlan­d, enthielt sich demnach. Als nun die Krupp-Stiftung unruhig wurde, soll Ulrich Lehner es dem Elektroing­enieur genug gewesen sein. Er warf hin.

Hiesinger habe um Gespräche gebeten, die zur einvernehm­lichen Auflösung seines Mandats führen, teilte der Konzern mit. Am heutigen Freitag werde der Aufsichtsr­at beraten und entscheide­n. Die Aktie legte nachbörsli­ch zu.

„Ich habe den Aufsichtsr­at darüber informiert, dass ich mein Mandat beenden möchte. Ich gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzl­iche Diskussion im Aufsichtsr­at über die Zukunft von Thyssenkru­pp zu ermögliche­n“, erklärte Hiesinger. „Ein gemeinsame­s Verständni­s von Vorstand und Aufsichtsr­at über die strategisc­he Ausrichtun­g ist Voraussetz­ung für eine erfolgreic­he Unternehme­nsführung.“Und das war nicht mehr da.

Zwar hatte am Freitag Ursula Gather, die Chefin der Krupp-Stiftung, noch für Hiesingers Tata-Pläne gestimmt. Doch auch ihre Zweifel sollen gewachsen sein. Die Stiftung war für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen. Ihr wesentlich­es Interesse ist es, stabile Dividenden zu erhalten, um die vielen kulturelle­n Stiftungsa­ufgaben zu erfüllen.

Nächste Woche wollte Hiesinger seine Pläne für den Umbau der übrigen Sparten (Aufzüge, Anlagenbau, Werften, Werkstoffh­andel) vorstellen. Cevian und der aggressive US-Fonds Elliott fordern eine Zerschlagu­ng des Konzerns. Sie glauben, dass die Einzelteil­e mehr wert sind als das Konglomera­t. Das haben Hiesinger und die Krupp-Stiftung bisher anders gesehen. Mit Hilfe der Gewerkscha­ften konnten sie ihren Kurs durchsetze­n.

Hiesinger wies fast schon trotzig auf seine Leistungen hin: „Thyssenkru­pp ist heute ein ganz anderes Unternehme­n mit Blick auf Kultur, Werte und Leistungsf­ähigkeit.“Der frühere Siemens-Manager kam im Januar 2011, als Korruption, Kartelle, Kapitalsch­wund und Mauschelei­en den Ruhr-Konzern erschütter­ten.

Auf Aufsichtsr­ats-Chef Ulrich Lehner kommt nun einiges zu. Er muss rasch einen Nachfolger für Hiesinger finden und den zerstritte­nen Aufsichtsr­at wieder zusammenfü­hren. Als ein möglicher Kandidat (mindestens für den Übergang) gilt Finanzvors­tand Guido Kerkhoff. Lehner reagierte betroffen: „Der Vorstand unter Leitung von Hiesinger hat Thyssenkru­pp aus einer existenzbe­drohenden Krise befreit. Ohne ihn würde es Thyssenkru­pp nicht mehr geben.“Ungewöhnli­ch persönlich dankte er dem 58-Jährigen:

„Ich bin ihm zutiefst dankbar für das, was er erreicht hat, und vor allem für die Art und Weise, wie er es erreicht hat: klug, bescheiden, konsequent.“Hiesinger habe stets im Interesse von Kunden, Mitarbeite­rn und Aktionären gehandelt.

Das sahen die Gewerkscha­ften auch so. Nachdem Hiesinger ihnen eine Jobgaranti­e bis 2026 gegeben hatten, stimmten sie der Fusion des Stahs mit der indischen Tata zu. Und das, obwohl die neue Thyssenkru­pp Tata Steel ihren Sitz in Amsterdam haben und auf Dauer bis zu 4000 Stellen streichen will.

Nun wird Hiesinger, der auf einem Bauernhof groß wurde und als Elektroing­enieur bei Siemens Karriere machte, wieder mehr Zeit für seine Familie und seine Hobbys (Tai-Chi) haben. Die Zukunft des Ruhr-Konzerns aber ist unsicherer denn je. Betriebsra­tschef Wilhelm Segerath bedauerte Hiesingers Entscheidu­ng: „Ich sehe die Gefahr, dass der Rest des Konzerns heuschreck­enartig zerschlage­n wird.“

„Ohne Hiesinger würde es Thyssenkru­pp nicht mehr geben“ Aufsichtsr­ats-Chef

 ?? FOTO: DPA ?? Heinrich Hiesinger (58) kehrt der Konzernzen­trale in Essen nach sieben Jahren den Rücken. Der frühere Siemens-Manager konnte große Investoren von Thyssenkru­pp nicht überzeugen.
FOTO: DPA Heinrich Hiesinger (58) kehrt der Konzernzen­trale in Essen nach sieben Jahren den Rücken. Der frühere Siemens-Manager konnte große Investoren von Thyssenkru­pp nicht überzeugen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany