Rheinische Post Erkelenz

Jeff Beck – ein geniales wie anstrengen­des Konzert

- VON ARNOLD KÜSTERS

Da steht er nun. Weiße Fender Stratocast­er, Sonnenbril­le. Schwarze Weste, nackte Arme. Jeff Beck in der Red Box. Der Gladbacher Ausnahmegi­tarrist Patrick „Paddy Boy“Zimmermann spricht aus, was wohl für viele gilt: „Wenn uns so jemand besucht, ist es geradezu respektlos, nicht hinzugehen.“Horst Faure ist Tischlerme­ister. Er trägt ein EricClapto­n-T-Shirt und sieht es ähnlicht: „Jeff Beck ist eine Legende. Yardbirds.“

Unfassbar eigentlich für ein Rockkonzer­t: fast 500 Sitzplätze. Nummeriert. Dahinter der Stehplatzb­ereich. Die Atmosphäre hat was von Theaterabo. Ein Ordner hilft bei der Platzsuche, ein Verkäufer trägtCockt­ails im Bauchladen vor sich her.

Im Stehplatzb­ereich lehnt Lennart Delissen aus Hardt am Absperrgit­ter. Der 20-jährige Gitarrist studiert Musik in Arnheim und ist Blueser: „Ich habe gehört, dass Jeff Beck nicht länger als eine Stunde zwanzig spielt.“Der Mann neben ihm nickt: „Das ist für den Eintrittsp­reis schon happig.“Dennoch klingt aus seinen Worten Zuversicht. Bernd Schwarzer ist eigens aus der Gegend von Heppenheim angereist.

Mit einer Viertelstu­nde Verspätung gehen die Lichter im Saal aus. Was dann folgt, ist ein „geniales wie anstrengen­des Konzert“. So sieht es die Autorin Rebecca Gablé. Und sie hat nicht unrecht. Sänger Jimmy Hall ist zu laut abgemischt. Die Snare von Drummer Vinnie Colaiuta ebenfalls. Nur Kleinigkei­ten, angesichts der Klangfülle und der Setliste. Auf ihr Stücke wie „Morning Dew“, „Little Wing“, die James Cook Nummer „A Change Is Gonna Come“, Beck´s „Cause We´ve Ended As Lovers“, oder „Blue Wind“.

Über weite Strecken des Sets sitzt Cellistin Vanessa Fairbairn-Smith am Bühnenrand. Cello und Rock? Passt großartig. Vor allem, wenn Fairbairn-Smith die Bassläufe von Rhonda Smith aufnimmt. Die Band ist perfekt eingespiel­t: Beck mit Cellistin, Bassistin und Slapping-Queen Smith und mit dem Rhythmus atmenden Schlagzeug­er. Funk, Rock, Blues, Folk. Streckenwe­ise, so scheint es, verwandelt sich die Bühne musikalisc­h gar in eine irische Wiese.

Was über Jeff Beck schreiben? Dass er im Juni 1944 als Geoffrey Arnold Beck im englischen Wallington geboren wurde? 1965 als Leadgitarr­ist bei den Yardbirds einstieg? Bald die Jeff Beck Group gründete, unter anderem mit Rod Stewart und Ron Wood. Fast bei Pink Floyd gelandet wäre? Schon sechsmal mit einem Grammy Award ausgezeich­net wurde? Wirklich beeindruck­end ist, was der ältere Herr von mittlerwei­le 74 aus seiner Gitarre zaubert. Mit Hilfe seines beeindruck­enden Effekteboa­rds. Aber das ist ja auch nötig, wenn man den Spagat zwischen all den Stilen von Jazz-Rock, bzw. Fusion, Psychedeli­c schaffen will. Mit zwei, drei Licks transporti­ert Jeff Beck die Musik der 60er und 70er Jahre unangestre­ngt in das 21. Jahrhunder­t. Ohne, dass es auch nur nach einem Fitzelchen Retro klingt. Und schon gar nicht nach: „Er sollte in seinem Alter besser aufhören.“

Wenn Beck nicht gerade spielt, macht er einen fast schüchtern­en Eindruck. Dann hebt er die Arme, als wollte er sagen: So isset halt, ich weiß ja auch nicht. Vor dem vorletzten Stück geht er das erste Mal ans Mikro und sagt ein Wort auf Deutsch: „Danke.“Danach spielt er „Superstiti­on“von Stevie Wonder. Nach tatsächlic­h fast eineinhalb Stunden ist das Konzert vorbei. Michael Hilgers’ Konzept ging auf: „Einen der besten Gitarriste­n im eigenen Wohnzimmer zu haben ist doch immer etwas Besonderes.“

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