Rheinische Post Erkelenz

Plötzlich gab die Höhlendeck­e nach

Im Sommer 1930 kamen Pfadfinder aus Düsseldorf nach Liedberg. Dort hatten sie von einem geheimen Zugang zum Stollensys­tem rund um die Burg gehört. Die Erkundung dieser Stollen wurde einigen von ihnen zum Verhängnis.

- VON CHRISTIAN LINGEN

LIEDBERG Es gibt so Tage, die brennen sich in das kollektive Gedächtnis eines Ortes ein. Die, die dabei waren, erinnern sich lebhaft und können bis ins hohe Alter hinein davon erzählen. Die, die nicht dabei waren, wissen mindestens von Zeitzeugen, was passiert ist. Oder sie haben es irgendwo gelesen oder durch Erzählunge­n davon gehört. Solche Ereignisse sind dann über Generation­en hinweg mit dem Ort verbunden. Auch in Liedberg gibt es ein solches Ereignis. Vor 88 Jahren passierte dort ein Unglück, das nicht vergessen ist. Damals starben drei Pfadfinder.

Es war ein Samstag im Sommer 1930. 16 jugendlich­e Pfadfinder vom Stamm „Schinderha­nnes“aus Düsseldorf brachen auf, um in Liedberg ihre Sonnenwend­feier zu begehen. Dass sie dabei auf tragische Weise Geschichte schreiben werden, ahnte niemand der damals 14- bis 16-Jährigen. Im Bereich der früheren Sandkuhle schlug man die Zelte auf. Im Vorfeld hatte man erfahren, dass es unterhalb des Schlosses einen Eingang gibt, um in das unterirdis­che Stollen- und Höhlensyst­em Liedbergs zu gelangen. Schon früh am Nachmittag machten sich die Jugendlich­en auf den Weg, um den schmalen Eingang mit Spaten zu vergrößern. Spät am Abend begab man sich wieder dorthin, um in eine große unterirdis­che Höhle zu gelangen, die unter dem Namen Piratensaa­l bekannt war. Dort wollten die Pfadfinder die Sonnenwend­feier begehen und einige Neulinge des Stammes feierlich vereidigen. Es soll gespenstis­ch still dort gewesen sein und stockdunke­l. Die ersten zwanzig Minuten des Tunnelsyst­ems habe man nur kriechend zurücklege­n können. Etwas Licht spendeten mitgebrach­te Pechfackel­n die bizarre Gebilde aus Sand und Sandstein sichtbar machten.

Nach den Feierlichk­eiten und einem Umtrunk beschlosse­n die Pfadfinder, den Rest der Nacht in der Höhle zu verbringen. Aus dem späteren Einsturzbe­reich klangen jedoch schon früh morgens Besorgnis erregende Geräusche zu den Pfadfinder und auch die Tropfgeräu­che von der Decke sorgten für ein mulmiges Gefühl.

Gegen vier Uhr am Morgen passierte schließlic­h das Drama. Es löste sich unter donnerndem Getöse ein 200 Zentner schwerer Felsbrocke­n von der Decke und verletzte drei der Pfadfinder tödlich. Ein weiterer Junge wurde zwar an den Beinen verletzt, konnte sich aber mit dem Rest des Stammes mühsam nach draußen retten, um gleich im Ort Hilfe zu suchen. Einen der Pfadfinder konnte die Feuerwehr bei der Bergung noch heraushole­n, aber die beiden anderen musste man wegen weiterer akuter Einsturzge­fahr zurücklass­en. Einige Zeit später wurde der Eingang mit Beton verfüllt und Felsblöcke davor gesetzt, es sollte kein weiteres Unglück mehr geben.

Ein davor angelegtes symbolisch­es Grab zieht bis heute immer noch viele Besucher an. Am ersten Jahrestag kamen 1300 Pfadfinder, um der toten Kameraden zu gedenken. Um das Andenken an die damals ums Leben gekommenen Pfadfinder zu bewahren, kümmert sich Gerd Busch, der als Gästeführe­r für das Liedberger Landgastha­us arbeitet, um die Pflege der Gedenkstät­te. Seine Führungen beinhalten auch Informatio­nen zum Unglück. Als es sich vor einigen Tagen jährte, führte er seine Gäste an genau diese Stelle.

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FOTO DETLEF ILGNER Simone Schmitt und Gerd Busch an dem Gedenkstei­n für die drei gestorbene­n Düsseldorf­er Pfadfinder.

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