Seehofer sorgt für neue Verwirrung
Trotz der Asyl-Einigung schließt der Innenminister Alleingänge weiter nicht aus.
BERLIN (kd/qua) Unmittelbar nach dem Asylkompromiss von Union und SPD mit dem Ziel internationaler Abkommen zur Rückführung von Flüchtlingen hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) neue Irritationen ausgelöst. Ohne bilaterale Vereinbarungen „müssten wir darauf zurückgreifen, direkt an der Grenze abzuweisen“, sagte der CSU-Chef dem „Spiegel“. Die Verhandlungen mit den möglichen Rücknahmeländern gelten als äußerst schwierig. Seehofer selbst hatte bei einem Gespräch mit Kanzler Sebastian Kurz seinen Kurs revidiert, Flüchtlinge nach Österreich ohne Abstimmung mit dem Nachbarland zurückzuweisen. Nationale Alleingänge hat die Koalition ausgeschlossen.
Thüringens CDU-Chef Mike Mohring sagte: „Am Tag eins nach dem Beschluss der Koalition geht es darum, ihn umzusetzen und nicht darüber zu spekulieren, was wäre, wenn er sich nicht umsetzen ließe.“Er hoffe, dass die Krisen-Tonlage der CSU jetzt vorbei sei, „und nicht gleich nach der nächsten Forderung gesucht wird“. Die Eskalation im Asylstreit sei überflüssig gewesen. Mohring mahnte: „Die Leute fühlen sich vom Streit zwischen den Unionsparteien gestresst.“SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sieht Seehofer nun unter Zugzwang. Er müsse nun zunächst Vereinbarungen in Europa aushandeln. Dann müsse er dafür sorgen, dass in seiner Zuständigkeit Asylbewerber, die in anderen Ländern registriert wurden, schnell wieder zurückgeführt werden. Schließlich solle er zügig Passersatzpapiere für Ausreisepflichtige beschaffen.
Für Verwirrung sorgte der CSUChef auch mit Ermahnungen an die Brexit-Unterhändler der EU-Kommission in Brüssel. In einem am Freitag der „Financial Times“und der dpa vorliegenden Brief vom 27. Juni drang er auf eine „uneingeschränkte Sicherheitszusammenarbeit“mit Großbritannien auch nach dem EU-Austritt. Heikel ist die Intervention, weil die EU strikt versucht, geschlossen gegenüber London aufzutreten. Seehofer übernimmt indes Positionen der britischen Premierministerin Theresa May, die am Donnerstag bei Merkel war.