Zu Hause zu sein, ist wie Wurzeln düngen
Die Radio-Moderatorin hat sich entschieden: Ihr Lebensmittelpunkt bleibt der Niederrhein – trotz nerviger Pendelei.
Nach Hause. Das letzte Stück Autobahn zieht sich wie Kaugummi. Tausende Male bin ich schon da lang. Die A57 von Köln zum Niederrhein. Diese Pendelei, sie nervt mitunter, aber das nehme ich in Kauf. Weil dieses empfundene „Ziehen wie Kaugummi“die Freude auf Zuhause ist. Zuhause auf dem Land. Hier bin ich aufgewachsen, zur Schule gegangen, hier bin ich mein Leben lang gewesen. Auch lange schon mit einem Bein woanders: Zum Studium, zum Volontariat beim WDR in Köln, als Moderatorin beim WDR.
Aber die Entscheidung: Mein Lebensmittelpunkt bleibt der Niederrhein, denn das ist meine Heimat – diese Entscheidung ist sehr bewusst gefallen. Hier habe ich meine Familie gegründet (was wenig Überredungskunst brauchte, weil mein Mann auch so einer ist von hier….), hier leben meine Eltern, Geschwister, Freunde aus der Grundschulzeit, hier sind die Vereine, in denen ich bis heute von Mitglied bis erste Vorsitzende alles bin.
Morgens in meiner Heimat: Hier bringt der Bürgerbus die Kinder zur Bushaltestelle. Richtig. Der Bus bringt die Kinder erstmal zur Bushaltestelle im Dorf. Und ich stehe im Schlafanzug mit ’ner Tasse Kaffee in der Hand am Gartentor und winke den Kindern nach. An meinem Outfit kann keiner was auszusetzen haben, weil hier keiner ist. Außer der Busfahrer, und der hat noch nie was gesagt. Und wenn, dann wäre es im Dorf angekommen und irgendwie bei mir wieder ausgekommen. Weil soziale Netzwerke hier noch analog funktionieren…
Ich bin viel unterwegs, manchmal mehrere Tage nicht zu Hause. Und nehme mein Heimatgefühl sehr bewusst wahr. Auch, weil es gerade ein großes Thema ist, politisiert wird. Dabei, finde ich, ist Heimat in erster Linie ein Gefühl, kein Ort.
Und doch ist es auch der Ort, der das Gefühl macht. Gerade jetzt, während ich diesen Text schreibe. Draußen, am Laptop, auf der Terrasse. Die Vögel singen und ein Schmetterling setzt sich auf den Bildschirm. Da hinten fährt mein Bruder mit dem Trecker übers Feld, mein Vater mäht den Rasen nebenan, die Kinder kommen mit den Fahrrädern angefahren, haben Kumpels dabei, die wiederum die Kinder meiner Grundschulfreunde sind.
Zu Hause zu sein, ist wie Wurzeln düngen. Auch diese Traditionen zu leben, mit denen ich aufgewachsen bin: Kirmes im Dorf, Karneval. Mit dem alten Nachbarn Willi ein paar Worte auf Plattdeutsch reden übers Wetter, wenn ich mit dem Hund spazieren gehe.
Meine Heimat ist das Gefühl, aufgehoben zu sein. Mein „Alles-istgut-alles-wird-gut“-Ort. Umgeben von Menschen, die mich lieben und die ich liebe. Gerade als Journalistin mal den Kopf unter die Decke stecken, statt immer mit wachen Augen unterwegs zu sein.
Und dann fahre ich auch gerne wieder, seit mehr als 20 Jahren, nach Köln zum WDR. Auch wenn sich das erste Stück Autobahn zieht wie Kaugummi…