Lebenslanges Berufsverbot für Bottroper Apotheker
ESSEN Freudentränen fließen bei den Opfern von Peter S., als am Freitagmittag das Urteil verkündet wird: Zwölf Jahre soll der Bottroper Apotheker in Haft und 17 Millionen Euro an die Krankenkassen zurückzahlen, bei denen er Wirkstoffe abrechnete, die er nie verarbeitet, teils erst gar nicht eingekauft hatte. Dazu kommt ein lebenslanges Berufsverbot.
„Ein schönes Geburtstagsgeschenk“nennt das Heike Benedetti, Sprecherin der mutmaßlichen Opfer des Apothekers, der an diesem Tag 48 Jahre alt wird. Rund 200 ihrer Leidensgenossen sind im Laufe des Prozesses am Landgericht Essen verstorben.
Wegen Körperverletzung, Totschlags oder gar Mord wurde S. nicht verurteilt. Denn eine Reihe sichergestellter, zweifelsfrei massiv unterdosierter Chemotherapien von S. waren noch nicht offiziell für den Gebrauch freigegeben worden. Und als die Ermittler sich einigermaßen sortiert hatten, war es zu spät, um Patienten aussagekräftig untersuchen zu lassen. „Das Arzneimittelgesetz war unser Rettungsanker“, sagt deshalb Richter Johannes Hidding. Denn das sieht bis zu 15 Jahre Haft vor – unabhängig davon, ob sich etwa verfrühte Todesfälle zweifelsfrei auf Panscherei zurückführen lassen oder nicht. Hidding stellt S. ein vernichtendes Urteil aus: Luxusgüter hätten für den Mann, der auch ohne seine einträglichen Straftaten ein reicher Mann wäre, „eine immens große Rolle gespielt“; S. habe sich als „Gönner und Mäzen“aufgespielt und sich wie zum Hohn für ein Hospiz engagiert.
Zum Schluss wartete der Richter mit zwei Überraschungen auf. Der Fall sei „leider auch eine Geschichte des Behördenversagens“, sagte er erstens. Bei der „eigentlich banalen Aufgabe“effektiver Apothekenkontrollen hätten alle Zuständigen im Land, im Bezirk und in der Stadt Bottrop versagt. Zweitens wandte er sich ungewöhnlicherweise direkt an S.: „Sie haben geschwiegen, an allen 44 Prozesstagen. Ihr gutes Recht als Angeklagter. Aber Sie sind auch Apotheker. Die Menschen wollten die Wahrheit hören, von Ihnen.“
Doch Peter S. schwieg, wie immer seit seiner Festnahme am 29. November 2016. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Verteidigung kann Revision beantragen. Der Richter hat allerdings klug vorgebaut, im Zweifel stets pro S. entschieden, dessen Verteidigern ein Maximum an Spielraum gelassen. Am Donnerstag hatten sie einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert, den sie als Opfer darstellten. Stattdessen werden die eigentlichen Opfer S. weiter zur Verantwortung ziehen – mit Zivilklagen auf Schmerzensgeld.