Rheinische Post Erkelenz

Englische Party-Löwen

England stand 1990 zuletzt in einem WM-Halbfinale, Schweden 1994. Während die „Three Lions“schon vor dem Viertelfin­ale ganz euphorisch sind, fühlen sich die Schweden in ihrer Rolle als Spielverde­rber wohl.

- VON HOLGER SCHMIDT UND LARS REINEFELD

SAMARA (dpa) Ein England, das Elfmetersc­hießen übersteht, kann auch Weltmeiste­r werden! Das ist die feste Überzeugun­g aller Three Lions. „Hier gibt es etwas zu gewinnen, und das wollen wir bald in beiden Händen halten“, tönte Abwehrchef John Stones vor dem WM-Viertelfin­ale am Samstag (16 Uhr) in Samara gegen Schweden: „Ich will diesen Pokal gewinnen.“

Die feine britische Zurückhalt­ung, ein neues Merkmal unter Trainer Gareth Southgate nach Jahren der vor allem medialen Hochnäsigk­eit, ist spätestens nach dem ersten Sieg in einem WM-Elfmetersc­hießen gegen Kolumbien wieder fester Entschloss­enheit gewichen. „Zur Hölle mit jedem, der auf Zurückhalt­ung besteht“, schrieb der „Guardian“. Und Southgate sagte: „Ich will noch nicht nach Hause fahren. Wir wollen unsere Geschichte weiterschr­eiben.“

Auf der Insel ist die Euphorie greifbar. Aus den Pubs dröhnt der Song „Three Lions“mit dem berühmten Refrain „Football‘s coming Home“. Londons Bürgermeis­ter Sadiq Khan plant schon Public-Viewings an Trafalgar Square und Hyde Park für Halbfinale und Endspiel. Und obwohl laut „Daily Mail“bis zu 5000 Pfund (rund 5600 Euro) für Schwarzmar­kt-Tickets aufgerufen werden, sollen sich rund 5000 Fans auf den Weg nach Samara gemacht haben. Der „Telegraph“frohlockte bereits, dort erwarte sie „Strand und billiges Bier“.

Doch allzu sicher sollten sich die Engländer dann doch nicht sein. Denn die Schweden sind der Favoriten-Schreck dieser gesamten WM, die personifiz­ierten Spaßbremse­n. In der Qualifikat­ion schlugen sie Frankreich und warfen die Niederland­e raus, in den Play-Offs dann Italien und in der Gruppenpha­se Weltmeiste­r Deutschlan­d. „Wir haben Deutschlan­d nicht rausgeworf­en. Das war Südkorea“, meinte der Leipziger Emil Forsberg. Dennoch holte sein Team trotz einer 1:2-Niederlage gegen das DFB-Team den Gruppensie­g.

Und auch für England sind die Schweden bisher ein echter Angstgegne­r. „Wir haben eine ganz schlechte Bilanz gegen sie“, sagte Southgate: „Wir haben sie jahrelang immer unterschät­zt.“Von den acht Pflichtspi­elen bisher gewann England nur eines, von den letzten sieben Freundscha­ftsspielen ebenso. Doch für Schwedens Trainer Janne Andersson hat das keine Bedeutung. „Das ist Vergangenh­eit. Es sind die aktuellen Teams, die es morgen unter sich ausmachen.“

In Russland machen die „Tre Kronor“mit Teamgeist und Disziplin den Gegnern das Leben schwer. „Es ist unglaublic­h schwierig, gegen uns zu spielen“, sagte der Hamburger Albin Ekdal: „Wir fühlen uns total sicher, egal, wie der Gegner heißt.“

Besonders motiviert dürfte Abwehrchef Andreas Granqvist sein, der in der Nacht zum Freitag zum zweiten Mal Vater wurde. „Eine Tochter zu bekommen, ist das Schönste, was es auf der Welt gibt. Und als Fußballer das Viertelfin­ale bei einer WM zu spielen, ist ebenfalls etwas ganz Besonderes. Ich versuche, es alles zu genießen“, sagte der 33-Jährige.

Klar ist, dass beide Länder Fußball-Geschichte schreiben können. Die Engländer standen zuletzt 1990 im Halbfinale, die Schweden 1994. Ihre einzigen Final-Teilnahmen sind sogar schon 52 beziehungs­weise 60 Jahre her und waren im eigenen Land. England gewann damals immerhin auch durch das Wembley-Tor gegen Deutschlan­d.

Southgate sensibilis­iert sein Team jedenfalls schon mal dafür, dass es sich trotz der guten Entwicklun­g des englischen Fußballs um eine vielleicht einmalige Chance handelt. „In zwei Jahren wird unser Team noch besser sein, weil es mehr Erfahrung hat“, sagte er: „Aber man weiß nie, wie es mit Verletzung­en aussieht und ob die Karten wieder so gut liegen. Vielleicht kommt diese Gelegenhei­t nie wieder.“

Auch deshalb will er sie nutzen. „Es ist ein großes Privileg, in der Hand zu haben, dass jeder glücklich zur Arbeit geht. Das Leben vieler Menschen verändern zu können. Fußball kann ein ganzes Land verbinden. Ich bin glücklich, dass wir den Leuten Freude machen. Und das würde ich gerne weiterhin tun.“

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FOTO: DPA Die Mannschaft der „Three Lions“beim Rudel-Jubeln nach dem Achtelfina­lsieg im Elfmetersc­hießen gegen Kolumbien. Diese Euphorie soll die Engländer im Viertelfin­ale gegen Schweden beflügeln.

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