WM verursacht Spannungen auf der arabischen Halbinsel
Die politischen Konflikte zwischen Saudi-Arabien und Katar weiten sich auf die WM aus. Es geht um Übertragungsrechte, die Fifa ist eingeschaltet.
ISTANBUL (dpa) Sport verbindet? Von wegen. Auf der arabischen Halbinsel treibt der Fußball die Nationen gerade während der derzeitigen Weltmeisterschaft auseinander. Es hagelt gegenseitige Schuldzuweisungen und bittere Kritik, selbst die Fifa wird eingeschaltet. Dabei geht es nicht einmal um den sportlichen Misserfolg der vier arabischen Teams, die in Russland vertreten waren und die nach der Gruppenphase enttäuscht die Koffer packen mussten. Der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Katar dreht sich um die Fernsehübertragung von WM-Spielen – und ist eine Fortsetzung der politischen Spannungen zwischen den beiden Ländern, die seit einem Jahr eskalieren.
Riad wirft dem kleinen, aber reichen Katar eine Zusammenarbeit mit dem regionalen Rivalen Iran und die Unterstützung islamischer Extremisten vor. Seit einem Jahr bestrafen die Regierungen Saudi-Arabiens, Ägyptens, der Vereinigten Arabischen Emirate ( VAE) und Bahrains das Emirat Katar deshalb mit Wirtschaftsboykott, Grenzschließung und politischer Isolation. Katar, der weltweit größte Exporteur von Flüssiggas, verlässt sich auf seinen Reichtum und zeigt sich unbeeindruckt.
Die Unversöhnlichkeit des Streits spiegelt sich in der Auseinandersetzung um den Fußball wider. Das katarische Unternehmen „beIN“hatte sich die Nahost-Übertragungsrechte für die russische WM gesichert, wurde dann aber wie andere Firmen aus Katar zum Opfer des saudischen Wirtschaftsembargos. Dennoch war die beIN-Übertragung im Nachbarland zu sehen, weil ein Piratensender das Satellitensignal anzapfte – natürlich, ohne Geld nach Katar zu überweisen. Schon die europäischen Champions-League-Spiele wurden auf diese Weise abgegriffen. Die um Millioneneinnahmen gebrachte Firma sieht die Schuldigen bei den saudischen Behörden und ruft die Fifa zur Hilfe.
Nicht nur die Kataris wenden sich an den Weltverband. Saudi-Arabien will in den Kommentaren der katarischen beIN-Moderatoren bei der 0:5-Niederlage von Saudi-Arabien gegen Russland viel Gehässiges und Beleidigendes gehört haben. Laut Medienberichten witzelten die katarischen Moderatoren während der Übertragung, der saudische Sportminister Turki al-Sheikh werde angesichts des Totalversagens seiner Mannschaft mitsamt Spielern und Trainern wohl bald ins Ritz-Carlton in Riad umziehen müssen. Das Hotel diente im vergangenen Jahr als Luxus-Gefängnis für mehrere saudische Prinzen, die unter Korruptionsverdacht standen.
Minister Al-Sheikh kann darüber nicht lachen. Er sieht einen Verstoß gegen Fifa-Regeln, die politische Äußerungen während Fußball-Übertragungen verbieten. Die englischsprachige katarische Zeitung „The New Arab“warf Riad darauf Heuchelei vor: „Saudi-Arabien spielt mit schmutzigen Tricks, schreit dann aber ‚Foul’.“
Optische Sticheleien heizen die Spannungen zusätzlich an. Im Spiel Saudi-Arabien gegen Russland war Bandenwerbung für die katarische Fluggesellschaft Qatar Airways zu sehen – „eine Erniedrigung für die Saudis“, sagte Danyel Reiche, Experte für Sport im Nahen Osten, in einem Gespräch mit dem Carnegie Nahost-Zentrum in Beirut.
Im Eifer des Gefechts legte sich Minister Al-Sheikh dann auch noch mit Uefa-Chef Aleksander Ceferin an, der die illegale Übertragung der Champions League als „große Bedrohung für den europäischen Fußball“verurteilt hatte. Der saudische Minister nannte Ceferin darauf einen „Mann mit vielen Gesichtern“, mit dem er sich nicht zusammensetzen wolle.
Der Krach könnte nur ein kleines Vorspiel der Spannungen sein, die bei der nächsten WM im Jahr 2022 in Katar drohen. Sollte der politische Streit dann immer noch andauern und die Grenzen weiterhin geschlossen sein, könnte ausgerechnet die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf arabischem Boden ohne Zuschauer aus Saudi-Arabien oder den VAE stattfinden.