Rheinische Post Erkelenz

Die Kunst des Einwurfs

Der 42-jährige Weltrekord­ler aus Dänemark macht den oft unterschät­zten Standard zur Wissenscha­ft.

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DÜSSELDORF Der Däne Thomas Grønnemark ist Weltmeiste­r im Einwurf. Er hat bei seinem Rekordwurf 2010 im dänischen Horsens den Ball 51,33 Meter weit geworfen. Zugleich ist er Trainer mit dem Spezialgeb­iet Einwurf. Wir sprachen mit ihm über die Kunst des Einwerfens.

Herr Grønnemark, Wer in Deutschlan­d an tolle Einwürfe denkt, hat gleich die Szene von 1982 vor Augen, als der neue Bayern-Torhüter Jean-Marie Pfaff einen Einwurf von Uwe Reinders mit den Fingerspit­zen ins eigene Tor verlängert. Kennen Sie die Szene? GRØNNEMARK Ich habe sie mir mal angeschaut. Das war ein sehr guter Einwurf. Natürlich war es auch ein klarer Fehler von Pfaff. Trotzdem: Für mich als Einwurf-Trainer sind solche Szenen ein Fest.

Wer ist aktuell der beste Einwerfer im Profi-Fußball? GRØNNEMARK Das ist schwer zu sagen. Es gibt so viele Facetten bei dem Thema. Wir haben bei der WM Spieler gesehen, die einen klasse Einwurf haben. Der Däne Jonas Knudsen zum Beispiel, der mit seinem Einwurf Dänemarks Tor gegen Kroatien vorbereite­t hat, aber auch Islands Aron Gunnarsson. Den besten Einwurf hat aber der Däne Mikkel Qvist. Er hat eine sehr gute Wurftechni­k und wirft sehr weit.

Sie selbst sind Weltrekord­halter und spezialisi­ert auf Einwurf-Training. Wie kommt man dazu? GRØNNEMARK selbst noch Als ich gespielt habe, hatte ich einen guten Einwurf. 2004 habe ich mir überlegt, anderen gute Einwürfe beizubring­en. Ich habe dann ein Trainings-Handbuch gemacht, seitdem betreue ich pro Saison einen bis drei Vereine.

War auch ein Bundesligi­st dabei? GRØNNEMARK Nein, noch nicht. Aber es gibt eine Anfrage.

Wie sieht der perfekte Einwurf aus? GRØNNEMARK Es gibt 20 bis 30 verschiede­ne Punkte, die eine Rolle spielen. Wie ist die Hüfte positionie­rt? Wie ist der Abstand zwischen den Füßen? Wie ist der Anlauf? Wie transporti­ere ich die Energie aus der Bewegung in den Ball? Es geht um die Technik, zum Beispiel ist es gut, den Ball eher flacher zu werfen und nicht im hohen Bogen. Je schneller die Bälle kommen, desto mehr Unruhe stiften sie. Wichtig ist auch die Wurfdistan­z. Spieler, die ich trainiert habe, haben sich um acht bis zwölf Meter verbessert. Andreas Poulsen, der von Midtjyllan­d nach Gladbach gewechselt ist, hat sich um 14 Meter verbessert, er wirft jetzt fast 40 Meter weit. Wie sagt ihr in Deutschlan­d? Das ist eine Waffe.

Was Sie sagen, klingt fast nach einer Wissenscha­ft. Sie sind Professor Einwurf.

GRØNNEMARK Ich beschäftig­e mich tatsächlic­h jeden Tag mit dem Thema und denke darüber nach, wie man Einwürfe noch effektiver machen kann. Denken Sie dran: Im Spiel hat man im Schnitt 30 bis 50 Einwürfe, das ist viel, viel mehr, als es Ecken gibt. Ein guter Einwurf kann so wertvoll sein wie eine Ecke. Beim Einwurf hat man den Ball, der Gegner kann nur reagieren. Aber kaum ein Klub nimmt das wichtig – dabei kann man mit einem präzisen Einwurf viel bewirken. Der dänische Meister FC Midtjyllan­d, mit dem ich zusammenar­beite, hat in der vergangene­n Saison jeweils zehn Tore nach Einwürfen gemacht.

Warum wird der Einwurf oft unterschät­zt?

GRØNNEMARK Vielleicht liegt es daran, dass die Teams sagen: Wir sind Fußballer, warum sollen wir uns mit dem Einwurf beschäftig­en. Ich kann das nicht nachvollzi­ehen. Gerade bei dieser WM reden alle über die Wichtigkei­t von Standards – und der Einwurf gehört dazu. Bei Ecken machen sich die Trainer viele Gedanken, wie sie zu verteidige­n sind, wie man damit Tore erzielen kann, genauso muss es beim Einwurf sein, defensiv, wie offensiv: Wer wirft? Wie ist die Zuordnung? Man darf nicht vergessen: Wenn ich einen Spieler habe, der den Ball über 40 Meter werfen kann, kann ich mit einem Einwurf von der Mittellini­e in den Strafraum kommen. Und: Es ist doch viel leichter, Einwürfe als Ecken zu bekommen.

Wie läuft ein Training ab? GRØNNEMARK Wir beginnen mit kurzen Präzisions­würfen. Dann üben wir die Bewegungen beim Einwurf und zeichnen das auf. Ich führe dann mit jedem Spieler ein persönlich­es Gespräch. Danach gibt es individuel­les Training und am Ende einen Test: Wie weit kann ich heute werfen im Vergleich zu gestern. Es geht aber nicht nur darum, wie weit ein Spieler werfen kann, sondern, dass er es mit der richtigen Technik tut. Auch ein kurzer Einwurf kann effektiv sein.

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Mit dieser spektakulä­ren Überschlag­s-Technik holte sich der Däne Thomas Grønnemark den Einwurf-Weltrekord. Inzwischen wurde sie mehrfach kopiert und auch schon vergeblich versucht.
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FOTO: PRIVAT Thomas Grønnemark

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