Rheinische Post Erkelenz

„Wir müssen immer mutig sein“

Die Aktie schwächelt­e, ein Vorstand ging, aber der Henkel-Chef setzt auf Angriff: Mehr Innovation­en, neue Marken.

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DÜSSELDORF Wir treffen Henkel-Chef Hans Van Bylen im offenen Bereich eines frisch renovierte­n Bürogebäud­es. Hier gibt es dutzende kleine Arbeitseck­en und Sofas, Anreisende können Schließfäc­her für ihr Gepäck nutzen, in einer Ecke bietet ein Technik-Stop an, für Mitarbeite­r Smartphone­s zu reparieren.

Die USA drohen mit Handelskri­eg, die EU und China halten dagegen, beunruhigt dies Sie?

Henkel ist von den aktuellen Entwicklun­gen nicht direkt betroffen. Denn wir produziere­n vor Ort für unsere Absatzmärk­te weltweit. Aber ich beschäftig­e mich mit den möglichen Folgen für die Weltkonjun­ktur. Und hier gibt es schon Anlass zur Sorge. Denn Freihandel schafft Wachstum und Arbeitsplä­tze. Es gilt, einen Handelskri­eg zu vermeiden.

Van Bylen

Was sagen Sie zum Streit der Berliner Koalition?

Ich würde mir wünschen, dass die Politik sich wieder mehr um die Wettbewerb­sfähigkeit Deutschlan­ds kümmert. Wir müssen mehr für die Digitalisi­erung tun, für Verkehrsin­frastruktu­r oder Bildung. Gleichzeit­ig ist es für uns als Unternehme­n wichtig, dass der Streit um die Flüchtling­spolitik nicht die EU entzweit. Wir brauchen ein geeintes Europa mit einem offenen Binnenmark­t.

Van Bylen

Die Henkel-Aktie hat sich seit

Ihrem Amtsantrit­t rund zehn Prozentpun­kte schlechter entwickelt als der Börseninde­x Dax. Hat Henkel eine Krise?

Henkel ist ein sehr erfolgreic­hes Unternehme­n. Von Krise kann keine Rede sein. Der Umsatz lag 2017 erstmals über 20 Milliarden Euro, die bereinigte Umsatzrend­ite lag mit 17,3 Prozent so hoch wie nie, unser Börsenwert liegt mit fast 45 Milliarden Euro dreimal so hoch wie vor zehn Jahren und wir gehören zu den zehn wertvollst­en Unternehme­n im Dax. Die Aktien von Konsumgüte­rherstelle­rn sind seit letztem Jahr unter Druck. Das hat auch unsere Aktie beeinfluss­t. Aber in diesem Jahr entwickelt sich Henkel wieder besser als der Dax.

Van Bylen

Im November musste der für das Haarpflege­geschäft zuständige Vorstand gehen, im März meldeten Sie in den USA ernste Lieferprob­leme.

Die Lieferschw­ierigkeite­n in den USA liegen hinter uns. Wir haben schnell reagiert und die richtigen Maßnahmen ergriffen. Das zeigt, dass wir auch mit schwierige­n Situatione­n gut umgehen können.

Van Bylen

Das gute Verhältnis zu unseren Handelskun­den wurde dadurch nicht beeinträch­tigt.

Wie wichtig ist die Klebstoffs­parte für die Zukunft von Henkel?

Sie macht die Hälfte des Umsatzes. Sie wächst am schnellste­n – aus eigener Kraft und mit Akquisitio­nen - und ist hochprofit­abel. Wir entwickeln hier Lösungen beispielsw­eise für die Auto- und Elektronik­industrie. So kommen wir zum Beispiel auf rund 300 Anwendunge­n für moderne Autos. Wir liefern Beschichtu­ngen, Dichtungen für Sensoren, Klebstoffe für die digitalen Displays im Innenraum oder Lösungen für leistungsf­ähige Batterien. Was alles möglich ist, wird unser künftiges Innovation­szentrum für Adhesive Technologi­es hier in Düsseldorf zeigen. Hier werden wir auf

Van Bylen

fast 50.000 Quadratmet­ern unseren Kunden aus aller Welt präsentier­en, welche Fortschrit­te mit modernen Klebstofft­echnologie­n möglich sind.

Die Sparte Beauty Care rund um Schwarzkop­f bleibt Ihr Sorgenkind?

Van Bylen

Richtig ist, dass wir mit bis zu zwei Prozent plus dort ein niedrigere­s Wachstum erwarten als bei Laundry & Home Care und der Klebstoffs­parte mit jeweils zwei bis vier Prozent. Aber wir haben bei Beauty Care ein exzellente­s und hochmotivi­ertes Team.

Benötigt Henkel mehr Impulse von außen für Innovation­en?

Wir sind stolz auf unsere Innovation­skraft. Aber wir müssen uns auch nach außen öffnen. Darum haben wir zum Beispiel nun mehr

Van Bylen

als 100 externe Mentoren, mit denen sich Mitarbeite­r über digitale Projekte austausche­n. Wir investiere­n auch mit Venture Capital in junge Firmen — 75 Millionen Euro des dafür geplanten Budgets von 150 Millionen Euro sind bereits vergeben.

Brauchen Sie im Internetze­italter eher mehr Marken oder weniger?

Wir haben derzeit rund 300 Marken. Das ist eine gute Größenordn­ung. Einerseits wollen wir unsere Top-Marken weiter stärken, damit wir uns im digitalen Zeitalter gut durchsetze­n. Wenn Verbrauche­r künftig über Sprachassi­stenten wie Alexa ein Waschmitte­l bestellen, ist wichtig, dass Persil zuerst genannt wird. Bedenken Sie: Wir machen schon heute über 60 Prozent unseres Umsatzes mit zehn Top-Marken. Wir haben also sehr starke Marken.

Van Bylen

Und anderersei­ts?

...brauchen wir auch kleine lokale Marken mit einer besonders hohen Authentizi­tät, um Trends aufzugreif­en Das ist beispielsw­eise die Pflegeseri­e Barnängen. Wir haben die Marke 1992 in Schweden gekauft, sie ist dort Marktführe­r und wird auch vom Königshaus genutzt. Nun kommt Barnängen auch in Deutschlan­d gut an.

Van Bylen

Neue Marken als Experiment?

Wir müssen immer mutig und innovativ sein. So haben wir in den USA die Haarcolora­tionsmarke Mydentity geschaffen und dabei mit dem in der Friseurwel­t populären Influencer Guy Tang zusammenge­arbeitet. Das läuft sehr gut. In China verkaufen wir über die Online-Plattform Alibaba extrem erfolgreic­h Haarpflege­produkte. So ist Alibaba weltweit der fünftgrößt­e Vertriebsp­artner unserer Beauty Care Sparte.

Van Bylen

Wie wichtig ist Henkels neues Engagement bei Fortuna Düsseldorf?

Für uns ist das ein weiterer Ausdruck der starken Verbundenh­eit zu unserem Heimatstan­dort. Wir investiere­n hier jedes Jahr mehr als 100 Millionen Euro. Das Engagement bei Fortuna in der Bundesliga ist auch ein Zeichen für die mehr als 5000 Mitarbeite­r am Standort, von denen ja viele begeistert­e Fortuna-Fans sind.

Van Bylen

Wie lautet das Ziel?

Klassenerh­alt ist das Minimum. Ich werde auch öfters selbst im Stadion sein, um die Fortuna anzufeuern.

Van Bylen

Wohl 2021 läuft Ihr Vertrag aus. Wollen Sie dann verlängern?

Darüber denke ich nicht nach. Ich widme mich mit vollem Engagement meiner Aufgabe als Henkel-Chef und habe noch viel vor.

Van Bylen

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