Rheinische Post Erkelenz

„Wir sind doch sehr verletzlic­h“

Bernhard Günther wurde Opfer eines Säure-Anschlags. Nun spricht der Innogy-Finanzchef über die Tat. Die Täter-Suche geht weiter.

- VON ANTJE HÖNING

HAAN Beim Joggen wurde Bernhard Günther, Finanzvors­tand der RWE-Tochter Innogy, am 4. März 2018 Opfer eines Anschlags. Nur 300 Meter von seinem Haus in Haan entfernt wurde er an einem Sonntagmor­gen mit Säure übergossen. Nun spricht er im Interview mit dem „Handelsbla­tt“über die Tat und wie sie sein Leben verändert hat. „Aus medizinisc­her Sicht scheine ich alles in allem noch Glück im Unglück gehabt zu haben“, sagte der 51- Jährige. Andere Säureopfer seien viel drastische­r getroffen, er habe sein Augenlicht nicht verloren.

„Die körperlich­e Genesung kommt also voran. Die seelische Verarbeitu­ng braucht natürlich viel länger.“Zumal die Täter bis heute nicht gefasst sind. „Es ist besonders schwierig mit so einer Tat umzugehen, solange sie nicht aufgeklärt ist. Wenn man nicht weiß, warum sie erfolgt ist. Ist man noch bedroht? Sind andere bedroht? Diese Fragen treiben mich sehr um“, sagt Günther dem „Handelsbla­tt“weiter.

Die polizeilic­hen Ermittlung­en laufen noch. Die Wuppertale­r Staatsanwa­ltschaft hat Videomater­ial ausgewerte­t. Doch laut Günther gibt es noch keine konkrete Spur zu den Tätern. Bernhard Günther

Der Manager berichtet auch über den Tathergang: „Ich war mit Freunden Joggen. Nachdem wir uns getrennt hatten und ich die letzten 300 Meter alleine nach Hause laufen wollte, haben mir an einer Stelle, an der am helllichte­n Tage keiner mit einer Attacke rechnen würde, zwei jüngere Männer aufgelauer­t.“Der eine habe ihm den Weg abgeschnit­ten, der andere sei von hinten angerannt. „Einer hat mich zu Boden geworfen und festgehalt­en. Der andere hat ein Gefäß geöffnet und über mir entleert. Die beiden haben danach sofort von mir abgelassen und sind verschwund­en. Das lief innerhalb von wenigen Sekunden ab.“

Günther konnte noch zu seinem Haus zurücklauf­en und wurde ins Krankenhau­s geflogen. Er berichtet, wie ihn die Anteilnahm­e im Konzern bewegt habe. 500 Botschafte­n hätten ihn über die Mailadress­e „Thoughts for Bernhard“erreicht. „Ich bekam das dann ausgedruck­t und in Pappe gebunden, weil ich E-Mails noch nicht gut lesen konnte. Darin steckte sehr viel Anteilnahm­e und Menschlich­keit, die mich tief berührt hat.“Abstoßend fand er dagegen die Jagd von Boulevardb­lättern auf sein Privatlebe­n, dagegen ging er auch mit Anwälten vor. „Ich bin zwar Finanzvors­tand, aber damit bin ich noch kein Promi.“

Inzwischen ist Günther an seinen Schreibtis­ch im RWE-Turm in Essen zurückgeke­hrt. Schon im Mai nahm er wieder an einer Telefonkon­ferenz teil. Inzwischen trifft er erste Geschäftsp­artner und Analysten wieder. Das Foto, das das „Handelsbla­tt“von ihm machte, zeigt ihn mit heilender Haut und dunkler Brille, die seine Augen schützt. Mit dem Interview kehrt Günther einen Schritt weiter in die Öffentlich­keit zurück. Doch das Bild will er nicht weiter verbreiten.

Ob die Tat ihm als Privatmann galt oder als Finanzvors­tand, ist bis heute nicht geklärt. Ob jemand versuchte, mit der Attacke den Aktienkurs zu beeinfluss­en wie zuvor der Angreifer auf den BVB-Bus in Dortmund, oder ob die Tat in Zusammenha­ng mit der späteren Übernahme von Innogy stand - alles ist offen. Auch ob es einen Zusammenha­ng zu einem früheren Angriff gab. Er habe eine Theorie, aber die wolle er für sich behalten, so Günther.

Manager in Deutschlan­d lebten sicherer als in anderen Ländern, meint der Manager, aber sein persönlich­es Sicherheit­sempfinden sei durch das Attentat natürlich angeschlag­en. „Man merkt, dass die Normalität sehr brüchig ist - und dass wir letztlich doch sehr verletzlic­h sind.“Nach dem Attentat hatten Energiekon­zerne den Schutz ihrer Manager weiter erhöht.

Bernhard Günther ist nach eigenen Worten körperlich noch nicht wieder ganz fit, arbeitet aber wieder. Auch, weil Innogy in einer schwierige­n Lage ist: RWE verkauft die Netz-Tochter mit ihren 40.000 Mitarbeite­rn an den Konkurrent­en Eon, dann wird das junge Unternehme aufgeteilt. Emotional sei der Verkauf für ihn schwierig, doch er sehe eine unternehme­rische Logik darin, sagte Günther dem „Handelsbla­tt“. Damit werde dort seine Rolle als Finanzvors­tand zu Ende gehen. Doch der Energieman­ager weiß, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt, und versucht zuversicht­lich zu sein. „Die Zukunft ist offen.“

„Es gibt noch keine konkrete Spur“ Finanzvors­tand

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FOTO: INNOGY Vor dem Attentat.

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