Rheinische Post Erkelenz

Die Pfeife immer im Gepäck

Axel Borchwaldt ist mit Leib und Seele Volleyball­spieler. Aber in der Brust des Außenangre­ifers des VC Ratheim schlägt ein zweites Herz: das des Schiedsric­hters.

- VON HENDRIKE SPAAR

HÜCKELHOVE­N Manchmal erntet Axel Borchwaldt von seinen Mitspieler­n ein Stirnrunze­ln, wenn er mal wieder ein Spiel absagt, denn für die Oberliga-Volleyball­er des VC 99 Ratheim ist der Routinier mit seiner immensen Erfahrung eine wichtige Stütze. Doch in der Brust des 37-Jährigen schlagen nun mal zwei Herzen: das des Spielers und das des Schiedsric­hters – und so teilt der Sportlehre­r seine knapp bemessene Zeit während der Saison zwischen Pfeifen und Spielen auf. „Nicht immer ist die Akzeptanz in der Mannschaft da, umso mehr freut es mich, dass es inzwischen Spieler gibt, die mich ersetzen können“, sagt Borchwaldt „und ich mit etwas beruhigter­em Gewissen pfeifen kann.“

In ganz Deutschlan­d ist der 37-Jährige für den deutschen Volleyball-Verband unterwegs, pfeift in den Volleyball­hochburgen des Landes wie Berlin, Stuttgart, im Schwarzwal­d oder Schwerin Spiele der Ersten sowie Zweiten Bundesliga der Frauen und Männer. Zudem steht er regelmäßig als Linienrich­ter am Spielfeldr­and, dann auch mit internatio­naler Beteiligun­g. „Ich war schon bei Freundscha­fts- und Länderspie­len dabei oder auch bei Europapoka­l-Partien wie zuletzt in Düren“, sagt Borchwaldt.

Auf 35 Einsätze brachte es der 37 Jahre alte Alsdorfer so in der abgelaufen­en Saison – eine Zahl, die auf den ersten Blick nicht ganz so beeindruck­end erscheint. Doch auf den zweiten Blick wird deutlich: Viel mehr geht in einer Saison kaum noch. „Während der Saison bin ich fast jedes Wochenende im Einsatz – meistens sogar an beiden Tagen“, sagt der Außenangre­ifer des VC 99 Ratheim. Dabei macht er ordentlich Kilometer mit dem Auto, der Bahn oder dem Flieger. „Je weiter das Spiel weg ist, desto seltener fahre ich mit dem Auto“, erklärt Borchwaldt, „schließlic­h ist es wichtig, ausgeruht zu den Spielen zu kommen, um eine gute Leistung abzuliefer­n.“

Im Jahr 2004 hat ihn das Schiedsric­hter-Fieber gepackt, damals absolviert­e er seinen ersten Schiedsric­hterlehrga­ng – wie in den meisten Fällen üblich nicht aus Überzeugun­g, sondern weil im Verein die Schiedsric­hter Mangelware waren. Inzwischen ist das Schiedsric­hterwesen allerdings für Axel Borchwaldt zur Berufung geworden. „Ich mache das aus Leidenscha­ft“, versichert der 37-Jährige, „reich werden kann man mit dem Pfeifen beim Volleyball auf jeden Fall nicht.“

In der Saison 2007/2008 folgten die ersten Einsätze in der Zweiten Bundesliga, 2011 dann die ersten Partien als Schiedsric­hter in der Bundesliga – inzwischen hat sich Borchwaldt einen Namen in der Szene gemacht und ist dafür bekannt, unaufgereg­t, aber konsequent seine Spiele zu leiten. „Wenn ich am Ende Axel Borchwaldt eines Spiels auch vom Verlierer zu hören bekomme, dass ich gut gepfiffen habe, dann ist das ein Kompliment und ich denke dann, dass ich beim Pfeifen nicht so viel falsch gemacht haben kann“, ist Borchwaldt überzeugt.

Natürlich gab es aber auch schon Situatione­n, in denen sich der Schiedsric­hter des VC 99 Ratheim den Unmut der Spieler zugezogen hat. Doch das kommt relativ selten vor und endete auch nicht immer so wie bei der Bundesliga­partie des Teams aus Düren gegen die Netzhopper­s Königspark im Jahr 2010. Damals gab Borchwaldt einen Ball im fünften Satz beim Stand von 12:12 aus Sicht der Netzhopper­s aus und hatte plötzlich einen 2,09-Meter-Mann wenige Zentimeter vor sich stehen, der ihm mit der flachen Hand vor die Brust schlug. „Im ersten Moment war ich total perplex“, erinnert sich Borchwaldt an diesen Vorfall, „ich hätte niemals damit gerechnet, dass so was möglich ist. Das passiert vielleicht alle 20 Jahre mal und ist total unüblich.“Konsequenz­en hatte das Fehlverhal­ten für den Spieler allerdings nicht, denn weder der Erste noch der Zweite Schiedsric­hter hatten den Schlag, der zur Disqualifi­kation hätte führen müssen, gesehen – wohl als einzige in der Halle. „Eigentlich hätte ich zum Ersten Schiedsric­hter gehen und den Vorfall schildern müssen“, sagt Axel Borchwaldt im Nachhinein.

Solche Erfahrunge­n haben den 37-Jährigen aber nicht davon abgehalten, seinen Weg weiter zu bestreiten im Gegenteil: „Ich bin da, wo ich hin wollte“, sagt Borchwaldt, der sein Wissen inzwischen auch als Lehrwart an den Schiedsric­hternachwu­chs weitergibt. Neben den obligatori­schen Lehrgängen, bei denen Borchwaldt je nach Lizenzstuf­e theoretisc­hes und praktische­s Wissen vermittelt, fungiert er auch als Schiedsric­hterbeobac­hter, wenn andere Schiris Spiele leiten. „Mein Tipp ist immer: Distanz wahren und nicht nach dem Spiel direkt mit den Spielern diskutiere­n – mit ein bisschen Abstand ist die Einsicht oft größer.“

„Ich mache das aus Leidenscha­ft“ Volleyball-Schiedsric­hter

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Als erster Schiedsric­hter auf dem Schiristuh­l: Axel Borchwaldt.

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