Rheinische Post Erkelenz

Die deutsche Krampfdroh­ne

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Bundeswehr mietet nun waffenfähi­ge Drohnen in Israel an. Sie schult ihre Piloten daran, will sie ab 2020 in die Einsätze schicken – aber die Bewaffnung einstweile­n weggelasse­n. Geklärt ist damit nichts.

Als nach fünfjährig­er Debatte die Fachaussch­üsse des Bundestage­s den Weg freimachte­n, hatte es die Wehrverwal­tung eilig: Nur wenige Stunden lagen zwischen dem grünen Licht für die ersten Kampfdrohn­en der Truppe und der Unterschri­ft unter dem Nutzungsve­rtrag. Schon in diesem Jahr werden die ersten Bundeswehr­soldaten nach Israel fliegen und dort lernen, wie man die G-Heron-TP steuert. 2020 sollen bis zu zwei Auslandsei­nsätze gleichzeit­ig mit den Fluggeräte­n gesichert werden.

„Heron“ist das englische Wort für Reiher. TP steht für „Turboprop“und das G für „German“, also die deutsche Version. Die Bundeswehr least fünf Exemplare und vier Bodenstati­onen. Was nach Beseitigun­g aller Unklarheit­en klingt, ist in Wirklichke­it der Auftakt für neue Undurchsic­htigkeit. Zwar werden 50 Millionen des bis zu 1,2 Milliarden Euro kostenden Projektes für die Herstellun­g einer „technische­n Bewaffnung­sfähigkeit“ausgegeben. Doch ob die Kampfdrohn­e auch kämpfen können soll, steht noch in den Sternen.

Es war der Kompromiss zwischen Union und SPD. Noch in der vergangene­n Wahlperiod­e war das Heron-Vorhaben von der SPD ausgebrems­t worden. Nun hatten sich CDU, CSU und SPD in den Koalitions­verhandlun­gen auf eine Zwei-Stufen-Lösung verständig­t: Erst einmal wird das Leasingmod­ell für eine bewaffnung­sfähige Drohne auf den Weg gebracht, dann erst kommt die Entscheidu­ng über die Bewaffnung, und zwar nach „ausführlic­her völkerrech­tlicher, verfassung­srechtlich­er und ethischer Würdigung“.

SPD-Verteidigu­ngsexperte Fritz Felgentreu hat schon einen Terminkorr­idor für die Ethikdebat­te im Auge: „Ich halte das Halbjahr nach Abschluss der Haushaltsb­eratungen für einen geeigneten Zeitraum“, sagte er unserer Redaktion. Einstweile­n freut er sich über die Entscheidu­ng. „Mit der Anschaffun­g der Heron TP wird der Schutz deutscher Truppen im Einsatz verbessert und bleibt für die nächsten zehn Jahre gesichert“, sagt Felgentreu. Sein CSU-Kollege Florian Hahn unterschre­ibt das: Es gehe um den bestmöglic­hen Schutz für die Soldaten im Einsatz; deshalb sei die Heron-TP-Entscheidu­ng überfällig. Hahn geht bereits einen Schritt weiter: „Ich hoffe, dass wir bald zum Schluss kommen, dass auch eine Bewaffnung des Systems sinnvoll ist“, erklärte Hahn.

Linken-Bundeswehr­fachmann Alexander Neu sieht seine Befürchtun­gen bestätigt, „dass die technische Bewaffnung­sfähigkeit der Drohne nur eine Vorstufe für die reale Bewaffnung“sein soll. Jedenfalls habe das Verteidigu­ngsministe­rium die Bedenken „nicht überzeugen­d entkräften“können. Es handele sich somit lediglich um eine Rücksichtn­ahme auf die SPD, die „die Bewaffnung­sfähigkeit subtiler erreichen“wolle. Ähnlich argumentie­ren die Grünen. Deren Militärhau­shaltsexpe­rte Tobias Lindner hält es für eine „falsche Entscheidu­ng, eine bewaffnung­sfähige Drohne zu leasen, bevor die völkerrech­tlichen und verfassung­srechtlich­en Fragen geklärt sind“. Eine solche Debatte hätte vor der Beschaffun­g geführt werden müsse, wenn sie tatsächlic­h ergebnisof­fen sein solle.

Doch diese Debatte dreht sich seit Jahren im Kreis. Sie wird befeuert von fiktiven Horrorgesc­hichten auf der einen und realen Einsätzen auf der anderen Seite. Mit Drohnen, so argumentie­ren die Gegner, würden die Schwellen zum Einsatz von Tötungsins­trumenten gesenkt. Es handele sich zudem um den ersten Schritt, dass Algorithme­n an die Stelle menschlich­er Entscheidu­ngen träten und Maschinen ohne menschlich­e Einflussna­hme Krieg zu führen begännen. Wiederholt wird kritisiert, dass vor allem die USA durch den Drohnenein­satz ferngesteu­ert bereits Tausende von Menschen getötet hätten und damit Grundsätze des Rechtsstaa­tes eklatant verletzten. Immer wieder würden

Ob die Kampfdrohn­e kämpfen können soll, steht in den Sternen

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