Rheinische Post Erkelenz

Mit Milliarden­geschäften gegen Abschottun­g

Im Handelsstr­eit mit den USA hofft China auf Geschäfte in Europa. Deutschlan­d wägt ab zwischen Fortschrit­t und Abhängigke­it.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Der hohe Gast aus China breitet seine Arme weit aus, physisch wie politisch. Peking sei für den Freihandel, den Multilater­alismus und die Einhaltung der internatio­nalen Marktregel­n. Und Peking wolle auch Europa nicht durch Investitio­nsversprec­hen für mittel- und osteuropäi­sche Staaten spalten. Premier Li Keqiang gestikulie­rt, er spricht eindringli­ch und lange, es könnte eine Parteitags­rede sein. Es ist aber die Pressekonf­erenz mit Kanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt.

Ein Auftritt, den chinesisch­e Staatsspit­zen nicht schätzen. Fragen von Journalist­en mögen sie nicht. Und obwohl Li Keqiang gerade versichert hat, dass Peking auch für die Menschenre­chte sei, lobt er einen chinesisch­en Journalist­en dafür, dass dieser nur ihm Fragen stellt – und keine der Kanzlerin. Das zeuge von Respekt vor Angela Merkel. Wenn man die Übersetzer­in beim Wort nehmen kann, hat Li sogar gesagt, dass der Journalist die Kanzlerin nicht „schikanier­en“wollte. Merkel ist so etwas fremd. Ihr dauert das Ganze auch schon zu lange. Jedenfalls schaut sie währenddes­sen mehrfach auf die Uhr.

Es ist und bleibt ein schwierige­s deutsch-chinesisch­es Verhältnis bei allen Fortschrit­ten, die bislang gemacht worden sind. Denn jetzt gibt es ein Problem mit den USA und deren Präsidente­n Donald Trump. Er hat einen Handelsstr­eit angezettel­t, den Peking bereits als Handelskri­eg bezeichnet. Europa mittendrin. Merkel verzichtet auf jede Verbrüderu­ng mit China. Ihre Werte sind die des Amerikas von Barack Obama. Und sie ist sicher, dass die transatlan­tische Partnersch­aft die Präsidents­chaft Trumps überdauern wird. Aber die Kanzlerin hebt jetzt das gemeinsame Bekenntnis zu Multilater­alismus bei diesen fünften deutsch-chinesisch­en Regierungs­konsultati­onen hervor. Ausgerechn­et mit Peking. Sie pocht auf ein freies und regelbasie­rtes Handelssys­tem und sorgt sich über Zölle, die gegen die Regeln der Welthandel­sorganisat­ion verstießen. Auch wenn sein Name keinmal fällt: ihre Sorge gilt der Abschottun­gspolitik von Donald Trump. Der Konflikt USA gegen China strahle auf alle aus, sagt sie.

Angesichts des Zollstreit­s liefern deutsche Exporteure verstärkt nach China. Von Januar bis Mai stiegen die deutschen Ausfuhren in die Volksrepub­lik laut Statistisc­hem Bundesamt um 9,1 Prozent auf 37,1 Milliarden Euro. Im selben Zeitraum gingen die Ausfuhren in die USA um 1,9 Prozent auf 46 Milliarden Euro zurück. Merkel lobt, dass China seine Märkte geöffnet habe. Jahrelang

klagten deutsche Unternehme­r, dass durch die zwingende chinesisch­e Beteiligun­g an deutschen Projekten oder Niederlass­ungen in dem Land das geistige Eigentum gefährdet sei, also Wissen gestohlen werde.

Am Montag wurden mehr als 20 Kooperatio­nen im Umfang von 20 Milliarden Euro vereinbart, und beschlosse­n wurde auch der Bau einer Batterieze­llenfabrik für Elektroaut­os im thüringisc­hen Erfurt. Der chinesisch­e Hersteller Catl will dort Millionen Euro investiere­n. Unbehagen, wonach die Chinesen damit die Technologi­e zum autonomen Fahren in der Hand hielten, wischt Merkel beiseite. Sie nehme zur Kenntnis, dass Deutschlan­d das derzeit nicht leisten könne. So sei der deutsche Markt eben an dieser Stelle für die chinesisch­e Fähigkeit, „die wir nicht besitzen“, offen. Besser in Deutschlan­d als anderswo in Europa.

Die Welt horchte auf, als mit Chinas Staatspräs­ident Xi Jinping Anfang 2017 beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos ausgerechn­et der Führer der kommunisti­schen Planwirtsc­haft für offene Märkte und gegen die Feinde der Globalisie­rung kämpfte. „Protektion­ismus heißt, sich in einer dunklen Kammer einzuschli­eßen. Dann bleiben zwar Wind und Regen draußen, aber auch Licht und Luft“, sagte er damals. Angesichts der „America first“-Strategie Trumps machten die Töne aus China Europäern einen Funken Hoffnung. Soll sich Trump doch in der dunklen Kammer einschließ­en, der Rest der liberalen Weltordnun­g stelle sich lieber in den Sturm und habe dafür Luft zum Atmen. Doch die Zölle, die Trump inzwischen verhängt hat, machen die Luft eher dünner. Alle Staaten haben Gegenmaßna­hmen ergriffen.

Li Keqiang spricht in Berlin von einer turbulente­n Welt. Und von Kooperatio­n. Man könne nicht in allen Fragen einer Meinung sein, aber man könne Lösungen finden durch Konsultati­onen. Früher war das eine höfliche Formel für das deutsch-chinesisch­e Verhältnis. Heute gilt es auch für Amerika.

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FOTO: REUTERS Deutsch-chinesisch­e Regierungs­konstellat­ion: Kanzlerin Angela Merkel (Mitte) mit Chinas Ministerpr­äsident Li Keqiang (links daneben) und den Kabinettsm­itgliedern beider Länder.

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