„Du kannst nie lernen, mit Erfolg umzugehen“
Der 72-jährige Sänger zählt zu den Legenden der Rockmusik. Jetzt hat er Lieder aus seiner musikalischen Anfangszeit 1963 eingespielt.
Deep-Purple-Sänger Ian Gillan ist zu seinen musikalischen Ursprüngen zurückgekehrt und hat mit seiner ersten Band, „The Javelins“, jene Lieder neu aufgenommen, die sie 1963 spielten. Wir trafen den 72-Jährigen im Breidenbacher Hof in Düsseldorf – vor seinem Konzert mit Deep Purple.
Was ist das für ein lustiger Name Ihrer ersten Band The Javelins?
Oh, das war der eines Autos damals. Es sah sehr cool aus, fast wie ein Gangsterauto. Dann ist die Firma nach Schweden verkauft worden und war der Prototyp für Volvo. Die frühen 60er waren für mich natürlich auch Jahre der Rebellion gegen die eigenen Eltern.
Gillan
Wie haben Sie die Zeit damals erlebt?
Gillan
Ich bin 1945 geboren, da war der Krieg gerade aus. Und dann reiste ich als junger Mann durch Deutschland und traf auf Gleichaltrige, die wie wir alle nie mehr Krieg wollten. Ich habe damals so viele Freunde in Deutschland gefunden; und mit der Musik sind wir in den Clubs zusammengekommen.
Wir war jetzt das Zusammenspiel mit den alten Freunden?
Ich bin ja der einzige Profi geworden. Und viele meiner Freunde haben etliche Jahre ihre Instrumente gar nicht mehr richtig gespielt. Doch als ich sie dann hörte, war das erstaunliche Gefühl: Sie sind nicht irgendwie virtuos, sie spielen einfach so wie sie spielen. Das alles ist nicht retro, das alles ist wahr und wirklich und absolut einfach. Wir hatten bei den Aufnahmen in Hamburg Spaß wie die Kinder; und ich habe mich wieder absolut jung gefühlt.
Gillan
Es finden sich so viele Musikstile bei den Songs ...
... es waren eben die Tage des Lernens. Und die vielen Stile kamen durch die Musiker dann auch zu Deep Purple: Jazz und Klassik durch Jon Lord, Folk durch Roger Glover und der Bigband-Sound durch Ian Paice. Wir haben einen guten Sinn für Humor, dies alles zu vereinen.
Gillan
Sie haben die Großen der Zeit damals vor allem nachgespielt – Ray Charles, Buddy Holly, Chuck Berry.
Nichts kommt aus dem Nichts. Du kannst nur lernen, indem du kopierst. Wenn Du ein guter Maler werden willst, musst Du erst das Licht verstehen. Aber Du musst immer dein Bestes geben. Das ist die einfache Wahrheit.
Gillan
Wer war Ihr Vorbild dieser Zeit?
Elvis Presley, aber auch Cliff Bennett. Du darfst nie vergessen, woher Du kommst. Bei den Studioaufnahmen jetzt habe ich fast nur gelächelt. Bei vielen Profi-Musikern denke ich manchmal: Jungs, ihr habt so viel in eurem Leben schon gespielt, aber ihr habt dabei etwas verloren: die Fähigkeit, einfach zu sein. Und ihr seid zu sehr von der Öffentlichkeit berührt worden und darum zu stark in eurer eigenen Welt gefangen. Auch deshalb war die Aufnahme mit The Javelins so erfrischend.
Gillan
Im Gegensatz dazu: Haben Sie eine Ahnung, wie oft Sie schon „Smoke On The Water“gespielt haben? Und ist es nicht langweilig für Sie?
Der Opernsänger Luciano Pavarotti sagte mir einmal, dass er „Smoke On The Water“jetzt fünf mal live gehört habe, und jedes Mal sei es ganz anders gewesen. Würde er sich das bei seinen berühmten Arien erlauben, würden ihn Fans und Kritiker kreuzigen. Bei uns aber sind die Hits immer wieder neu, manchmal etwas bluesig, manchmal kraftvoller, je nach Stimmung. Also langweilig ist das wirklich nie.
Gillan
Wie schwierig ist es, eine Legende genannt zu werden und sogar als ein wichtiger Teil der Rockgeschichte zu gelten?
Wir sind einfache Jungs gewesen und kommen alle aus Familien, die nichts hatten. Wir hatten plötzlich Glück und eine interessante Musik. Und plötzlich verdienst Du etwas Geld, plötzlich sind viele Fans um dich herum. Machen wir uns nichts vor: Damit gut und richtig umzugehen, ist schon eine schwierige Sache. Das Problem teilen junge, erfolgreiche Schauspieler und tolle Fußballspieler. Du kannst viel lernen im Leben; aber du kannst nicht lernen, mit Erfolg richtig umzugehen. Die Umstände verändern automatisch Dein Leben. Und dann hast Du überall neue Freunde, die dir Rat geben. Du lebst praktisch in einer dauernden Hollywood-Zeit. Es ist dann so schwierig, die Füße auf den Boden zu behalten.
Gillan
Wie geht man dann mit Lobeshymnen und Komplimenten um?
Du solltest nie sagen: Nein, nein, ich bin überhaupt keine Legende. Dann sind die Leute nämlich enttäuscht. Darum ist man charmant und sagt einfach: Oh, vielen Dank.
Gillan