Plädoyer für den Neustart
Frankreich und England waren am sportlichen Tiefpunkt. Beide drückten den Reset-Knopf – und stehen nun im WM-Halbfinale. Warum es manchmal besser ist, einfach von vorn zu beginnen.
DÜSSELDORF Acht Jahre ist es her, da lachte die ganze Sportwelt über Frankreich. Und wem nicht mehr zum Lachen zumute war, der schüttelte den Kopf. Grund war die Spielerrevolte von Knysna – so benannt nach dem Ort des Trainingslagers, das die französische Mannschaft während der WM in Südafrika bezogen hatte. Nach tagelangem Zermürbungskampf mit Intrigen wie in einer schlechten Fernsehserie trat am 20. Juni 2010 Nationaltrainer Raymond Domenech vor die Fernsehkameras und verlas eine von Mittelfeldspieler Jérémy Toulalan verfasste Erklärung. Deren Inhalt: Die Profis boykottierten aus Solidarität mit dem wegen heftiger Beleidigungen gegen den Chefcoach heimgeschickten Stürmer Nicolas Anelka die für diese Stunde angesetzte Trainingseinheit.
Ausgerechnet Domenech, gegen den sich die Erklärung richtete, trat auch noch als Verkünder auf, während Frankreichs Profis im Mannschaftsbus saßen oder Autogramme schrieben. Was für eine Farce! Es war der Tiefpunkt einer Entwicklung, die die stolze „Grande Nation“nach WM-Titel 1998, Europas Krone 2000 und der Vizeweltmeisterschaft 2006 zu Boden gedrückt hatte. „Le Figaro“schrieb vom „kollektiven Selbstmord“des Teams. Und „Le Parisien“bilanzierte: „Die Meuterei von Knysna wird auf ewig in Erinnerung bleiben als das Waterloo des französischen Fußballs.“
Kulissenwechsel. Sechs Jahre nach Knysna, EM-Endrunde in Frankreich. Wieder war es Zeit für große Schlagzeilen – nur betrafen sie diesmal nicht die „Equipe Tricolore“, sondern zielten auf die Kicker jenseits des Ärmelkanals. England hatte mal wieder einen Bock geschossen, und was für einen: Im Achtelfinale scheiterten die „Three Lions“mit 1:2 an Fußballzwerg Island und krönten