Rheinische Post Erkelenz

Modric – Kroatiens unterschät­zter Anführer

Der schmächtig­e Stratege könnte der Spieler der WM werden – aber für den 32-Jährigen von Real Madrid zählt nur sein Land.

- VON NILS BASTEK UND ULRIKE JOHN

SOTSCHI (dpa) Davor Sukers Stimme für den „Goldenen Ball“hätte Luka Modric bereits sicher. Wenn er dürfte, „würde ich für Luka drei geben“, sagt der frühere Top-Stürmer und jetztige Präsident des kroatische­n Fußballver­bandes über seinen Landsmann. Doch auch ohne Suker stehen Modrics Chancen auf die Ehrung zum besten Spieler der WM durch die Technische Kommission der Fifa nicht schlecht. Der Spielmache­r von Real Madrid überragte auch beim Viertelfin­al-Erfolg gegen Gastgeber Russland. Ob er nun der Nachfolger des 2014 ausgezeich­neten Lionel Messi wird, ist ihm selbst aber relativ egal.

„Das Wichtigste ist Kroatien“, sagte der 32-Jährige nach dem 6:5-Sieg im Elfmeter-Krimi in Sotschi. Mit eingefalle­nen Schultern und dem Kopf mitunter auf der Faust abgestützt saß der „Spieler des Spiels“auf dem Podium des Presseraum­s. Das 1,72 Meter kleine Leichtgewi­cht Modric war erschöpft. Er sei stolz, glücklich, aber auch müde, sagte er. Was ihm mit seiner Mannschaft zuvor gelungen war, hatte zuletzt die Generation um Suker vor 20 Jahren in Frankreich geschafft. Der Halbfinal-Einzug damals war bis Samstagnac­ht der größte Erfolg in Kroatiens WM-Historie. Modric und Co. können die Geschichte neu schreiben.

Am Mittwoch um 20 Uhr spielen sie in Moskau gegen England um den erstmalige­n Einzug in ein WM-Endspiel. Ein Großteil der knapp 4,2 Millionen Einwohner in der Heimat verehrt die Turnierhel­den schon jetzt. Allein 15.000 Menschen haben die Partie laut dem Portal „Index“auf dem zentralen Ban-Jelacic-Platz in Zagreb verfolgt. Tausende Kroaten feierten auch in Deutschlan­d den Erfolg mit Gesängen, Pyrotechni­k und Hupkonzert­en.

Sie haben es vor allem Modric zu verdanken. Der schmächtig­e Stratege ist der Anführer einer Generation, „für die es die letzte Chance war“, in ein WM-Halbfinale einzuziehe­n, meint Kroatiens Co-Trainer Ivica Olic, der frühere Bundesliga-Stürmer. Tatsächlic­h könnte diese WM für Modric (32 Jahre), Ivan Rakitic (30) oder Angreifer Mario Mandzukic (32) die letzte sein. Das Herz des Teams aber ist Modric. Er lenkte auch gegen die tapfer kämpfenden Russen die Partie und seine Mitspieler. Modric diktiert im Mittelfeld das Tempo oder nimmt es raus. Es gab kaum einen Angriff der Kroaten, der nicht über ihn eingeleite­t wurde.

Wollen die Engländer gegen Kroatien Erfolg haben, werden sie Modric kontrollie­ren müssen. Der aber braucht wie seine Teamkolleg­en nach der zweiten Verlängeru­ng im zweiten K.o.-Spiel nun erst mal ein paar Tage Ruhe. „All unsere Spieler hatten lange Saisons“, erklärt Trainer Zlatko Dalic und dürfte dabei vor allem an seinen Spielmache­r Modric denken, dessen Spielzeit zum dritten Mal in Serie bis zum Finale in der Königsklas­se angedauert hatte. „In den nächsten drei, vier Tagen müssen wir uns erholen.“Der 51-jährige Chefcoach beruhigt aber auch die Fans in der Heimat: „Natürlich ist noch Kraft da für die Engländer.“

Allein die Aussicht auf den größten fußballeri­schen Erfolg Kroatiens dürfte seine Spieler motivieren. Verbandspr­äsident Suker wird sie sicher nochmal daran erinnern, wie beeindruck­end für ihn das Halbfinale bei der WM 1998 trotz der 1:2-Niederlage gegen Gastgeber Frankreich war. „Aber wir wollen unsere eigene Geschichte schreiben“, sagt Rakitic. Sie haben ja auch einen Luka Modric, den vielleicht besten Fußballer, den es in Kroatien je gab.

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FOTO: DPA Luka Modric auf den Schultern von Teamkolleg­e Dejan Lovren

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