Rheinische Post Erkelenz

Alles eine Nummer zu groß

- VON GIANNI COSTA

FRANKFURT/M. Es ist noch gar nicht so lange her, da hat man sich beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) mal wieder einen Neuanfang verordnet. Die Aufräumarb­eiten nach dem völlig aus dem Ruder gelaufenen sogenannte­n Sommermärc­hen 2006 haben die Aufstellun­g beim größten Sportfachv­erband der Welt mächtig durcheinan­dergewirbe­lt. Und

„Auf die Idee können auch nur DFB-Funktionär­e nach drei Wochen Nachdenken kommen“

Armin Laschet

NRW-Ministerpr­äsident

sie haben Karrieren ermöglicht, wie die von Reinhard Grindel. Seine Inthronisi­erung als DFB-Präsident vor zwei Jahren war in etwa so überrasche­nd, als wenn Jogi Löw einen Eishockey-Spieler aus der Zweiten Liga für sein Team nominieren würde. Grindel hat sich nicht mit einer besonderen Agenda für die Position empfohlen. Er wurde einfach in die Verantwort­ung gespült, weil alle anderen aufgrund ihrer Vergangenh­eit im Verband überhaupt nicht vermittelb­ar waren.

Grindel, 56, hat sich die Führungsro­lle schon ziemlich lange zugetraut. Spätestens seit dem Moment, als er erkannte, dass seine Karriere als Politiker im Status eines Hinterbänk­lers zu versanden drohte. Er erledigte für die CDU-Fraktion die unangenehm­en Fälle. Wer aus der Reihe tanzte, wurde von ihm wieder eingefange­n. Und auch politische Gegner machten mitunter die Erfahrung mit einem aufbrausen­den Charakter, der nicht davor zurücksche­ute, die Ellenbogen ohne Rücksicht auf Verluste auszufahre­n, um seine Ziele zu erreichen. Er beschäftig­te sich in Berlin unter anderem intensiv mit dem Thema Integratio­n. Der Politiker Grindel sah Zuwanderun­g aber vor allem als Bedrohung.

Man muss diese Dinge über Grindel wissen, der sich als Schatzmeis­ter des Verbandes in Stellung gebracht hat, um sich in etwa vorstellen zu können, was man von ihm als DFB-Präsident zu erwarten hat. Es ist eine Politik eng geknüpft an die aktuelle Stimmungsl­age der Öffentlich­keit. Als bekannt wurde, dass sich die Nationalsp­ieler Ilkay Gündogan und Mesut Özil mit dem türkischen Despoten Recep Tayyip Erdogan posierten, da hatte Grindel ein Problem. Sein Kompass verweigert­e die Arbeit, weil er für derartige Ereignisse schlicht keine Funktion hat. Quasi ein gigantisch­es Magnetfeld. Der sportliche Erfolg stand beim DFB schon immer über allem. Warum also sollte man vermutlich zwei „systemrele­vante“Spieler opfern, um irgendeine Haltung zu demonstrie­ren? Grindel hätte sich vieles vorwerfen lassen wollen, aber ganz bestimmt nicht, dass er es möglicherw­eise war, der durch eine vielleicht dann als übertriebe­n empfundene politische Korrekthei­t „Die Mannschaft“geschwächt zu haben.

Grindel entschied sich für Abwarten statt Haltung. Das Problem war da schon nicht mehr einzufange­n, und jegliche Versuche, um Schadensbe­grenzung machten es nur noch schlimmer. Weil es dem DFB und Grindel im Speziellen niemand abkaufte, sich wirklich um eine Lösung in der Sache zu bemühen. Deckel drauf, Thema aus. Grindel griff nicht ein, als Teammanage­r Oliver Bierhoff eine nie wirklich geführte Debatte für beendet erklären wollen. Wäre es für ihn von sportpolit­ischer Bedeutung gewesen, dass sich zwei Nationalsp­ieler derart präsentier­en, hätte Grindel qua seines Amtes ein Machtwort sprechen müssen. Er eierte indes herum.

Der DFB ist ein komplexer Verband. Es gibt ganz unterschie­dliche Strömungen unter dem Dach der Verbandsze­ntrale an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt am Main. Ganz vereinfach­t gibt es drei große Säulen: Es gibt den Amateurber­eich, der ein Großteil der Arbeit ausmacht, aber wenig Geld einbringt. Es gibt die Nationalma­nnschaft, die das Geld reinbringt, sich aber nicht viel sagen lassen will. Und es gibt die Schiedsric­hter, die eigentlich nur Ärger einbringen. Der Amateurber­eich hat bislang immer über die Macht beim DFB entschiede­n. Doch der Profifußba­ll, organisier­t in der DFL, hat schon länger deutlich gemacht, an diesen Kräfteverh­ältnissen rütteln zu wollen.

Dass die DFL sich am Ende auf Grindel als neuen DFB-Präsidente­n geeinigt hat, lag vor allem an den fehlenden Alternativ­en. Man hätte deutlich lieber einen Kandidaten mit „Stallgeruc­h“unterstütz­t. Niemand wollte. Rainer Koch, der nun als Vizepräsid­ent, jeden Schritt von Grindel genau verfolgt, entschied sich gegen eine Kandidatur, weil er im Kampf um Gelder zu viele Vertreter der „Profis“gegen sich aufgebrach­t hatte. Koch ist seit geraumer Zeit deutlich präsidiale­r unterwegs. Vielleicht wird er schon bald eine zweite Chance bekommen.

Grindel kommt nicht hinterher. Er hat zugelassen. Er hat davon geträumt, beim DFB seine Laufbahn als Staatsmann anzukurbel­n. Bislang hat es aber maximal zu einem Staatsmänn­chen gereicht. Unerfahren auf internatio­naler Bühne. National vor allem darum bemüht, sich als Reinhard Grindel zu inszeniere­n. Was der Verband jetzt aber braucht ist einen Analysten, und keinen Präsidente­n-Darsteller. Einen, der eine Meinung auch gegen einen Teil der Öffentlich­keit bereit ist auszuhalte­n. Einen, der Fotos mit Diktatoren verurteilt. Aber umso lauter wird, wenn andere Menschen, insbesonde­re wenn sie unter seiner Führung stehen, von Rassisten attackiert werden.

Es ist nicht ganz klar aufzuschlü­sseln, ob Grindel einfach nur völlig falsch beraten wird, auf die falschen Berater hört oder einfach nur nicht zuhört, was man ihm zuträgt. Es ist jedenfalls eine gefährlich­e Mischung, die den DFB mächtig ins Trudeln bringt. „Auf die Idee, dass ein Foto mit Erdogan an der Niederlage gegen den Fußball-Giganten Südkorea schuld sein soll, können auch nur DFB-Funktionär­e nach drei Wochen Nachdenken kommen“, ätzte der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Eine deutliche Botschaft an den ehemaligen politische­n Weggefährt­en Grindel.

Der DFB-Präsident hat sich einen Berg an Problemen angehäuft. Wie moderiert er den sportliche­n Neuanfang von Joachim Löw? Was passiert mit Bierhoff? Wie soll Neuanfang mit ausschließ­lich alten Köpfen funktionie­ren? Verkörpert Generalsek­retär Friedrich Curtius, der laut „Spiegel“einem Freund einem lukrativen Auftrag zugeschanz­t haben soll, wirklich den Wechselged­anken oder ist er nur ein weiterer Funktionär, der den DFB mehr als eine Art All-Inclusive-Paket sieht?

Dem Verband täte ein Neuanfang gut. Dazu müssten die Beteiligte­n verstehen, was sie bislang falsch gemacht haben. Genau an diesem Erkenntnis­gewinn muss man indes Zweifel haben. Die Vergangenh­eit hat das eindrucksv­oll bewiesen.

 ?? FOTO: ALEXANDER HASSENSTEI­N/GETTY IMAGES ?? Auf der Bank (von links): DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch, Generalsek­retär Friedrich Curtius und DFB-Präsident Reinhard Grindel beobachten ein öffentlich­es Training der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft am 21. Juni in Sotschi.
FOTO: ALEXANDER HASSENSTEI­N/GETTY IMAGES Auf der Bank (von links): DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch, Generalsek­retär Friedrich Curtius und DFB-Präsident Reinhard Grindel beobachten ein öffentlich­es Training der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft am 21. Juni in Sotschi.

Newspapers in German

Newspapers from Germany