Rheinische Post Erkelenz

Der DFB muss mit den Grabenkämp­fen aufhören

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Jetzt, wo die Halbfinal-Partien bei der WM feststehen, ärgere ich mich noch mehr über das Aus unserer deutschen Nationalma­nnschaft. Es war ja leider verdient, weil wir es nicht geschafft haben, unsere Tugenden auf den Platz zu bringen. Aber ich bin mir sicher: Alle vier Teams, die im Halbfinale stehen, hätten wir besiegen können. Statt um den Titel zu spielen, gibt es nun Grabenkämp­fe im DFB. Liebe Leute, lasst das doch sein!

Wie ich schon gesagt habe: Es wäre viel besser, mal ein paar Wochen Abstand zu gewinnen, um die noch immer großen Emotionen runterkoch­en zu lassen. Jeder sollte sich seine Gedanken machen, dann kann man gemeinsam analysiere­n. Sich jetzt gegenseiti­g die Schuld zuzuweisen, ist weder hilfreich, noch des Deutschen Fußball-Bundes würdig.

Unser Autor mahnt den Verband zu Besonnenhe­it. Bei der WM sieht er den Trend zum einfachen Spiel.

Gehen wir aber mal in die Analyse der WM. In meinen Augen hat sich in Russland gezeigt, dass der Fußball zurückkehr­t zu seinen Wurzeln: Es ist im Grunde genommen ein ganz einfaches Spiel – und erfolgreic­h sind die Teams, die es einfach spielen. Das große Ballgeschi­ebe hat keinen Effekt mehr, es ist nicht das Turnier der Künstler und Superstars, sondern der Teams und der Teamplayer.

Herausrage­nde Beispiele sind für mich Mario Mandzukic bei Kroatien und Harry Kane bei England. Wie sich beide in den Viertelfin­als für ihre Teams aufgeriebe­n haben, hat mich beeindruck­t. Sehr gut gefällt mir auch Ashley Young. Er verkörpert den Typ Außenverte­idiger, den wir nicht hatten bei diesem Turnier: Er arbeitet konsequent nach hinten und setzt Akzente nach vorn im 3-5-2-System der Engländer. Stark! Wir sind an der Stelle nicht mehr gut genug besetzt. Ich erinnere daran, dass wir 2014 mit dem gelernten Innenverte­idiger Benedikt Höwedes hinten links gespielt haben. Wir hatten vier Jahre Zeit, neue Spieler für die Position zu finden, die internatio­nale Klasse haben, das wurde versäumt – auch in den Akademien der Bundesliga-Klubs.

Luca Modric spielt ebenfalls eine tolle WM. Wie er in der 115. Minute noch mit dem Ball ins Tempo geht, das hat schon was. Auch er stellt sein Können in den Dienst der Mannschaft. Leider haben wir solche Typen derzeit nicht in Deutschlan­d: Spieler mit individuel­ler Klasse, die auch Teamplayer sind. Unsere Nachwuchss­pieler sind zu gleich, da müssen sich die Akademien Gedanken machen. Es bringt nichts, wenn ein Defensivsp­ieler nur sichere Aufbaupäss­e über drei Meter spielen kann, um hohe Passquoten zu haben. Verteidige­r müssen die entscheide­nden Zweikämpfe gewinnen.

Gerade jetzt, da viel über Standards entschiede­n wird, kommt es darauf an, gut in der Defensive organisier­t zu sein. England haben zwei Kopfball-Tore gereicht, um ins Halbfinale einzuziehe­n – und da sind sie für mich Favorit gegen die Kroaten. Modric und die anderen sind fußballeri­sch im Vorteil, aber die große Qualität der Engländer sind die Standards.

Englands Trainer Gareth Southgate sagt: „Wenn wir einen Freistoß oder einen Eckball haben, gehört uns der Ball“– damit ist alles gesagt. Wie schon angemerkt: Fußball ist ein einfaches Spiel. Es gibt keinen kürzeren Weg in den Strafraum, als mit Standards.

Englands Gegner im Endspiel wird Frankreich sein. Belgien hat in der ersten Halbzeit gegen Brasilien großartig gespielt, hatte nach der Pause aber einiges Glück und den Schiedsric­hter auf seiner Seite, sonst wäre Brasilien zum Ausgleich gekommen. Belgien ist nach vorn super aufgestell­t, trotzdem glaube ich, dass die Franzosen gewinnen werden. Sie haben das ausgewogen­ere Team, vor allem hinten hat Didier Deschamps das Team stabil gemacht.

Ich freue mich auf die beiden Halbfinal-Spiele. Im Viertelfin­ale war es spannend, und jedes Team hat auf seine Art dazu beigetrage­n. Es war guter Fußball, bei dem der Kampf im Mittelpunk­t stand. Ich mag das. In beiden Partien wird es eng zugehen, gerade zwischen England und Kroatien. Da wird es vielleicht in die Verlängeru­ng gehen, auch ein Elfmetersc­hießen will ich nicht ausschließ­en.

Aber das muss das neue England ja nicht mehr fürchten.

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