Neuer Gladbach-Stil mit Mittelstürmer
Attraktiv, offensiv und erfolgreich: Borussias Trainer Dieter Hecking erhofft sich all das von einem 4-3-3-Spielsystem in der neuen Saison. Alassane Pléa soll darin als klassischer Stürmer eine wichtige Rolle spielen, wenn er kommt.
MÖNCHENGLADBACH Nein, da hatte Dieter Hecking etwas nicht gefallen. Der Trainer von Borussia Mönchengladbach unterbrach daher das Übungsspiel und versammelte am Sonntagmorgen seine Spieler zum Gesprächskreis auf dem Trainingsplatz um sich. Es gab noch einmal klare Anweisungen, und danach ging es weiter. Hecking ist dabei,
„Die WM zeigt, dass das Spiel nach vorn nicht einfach ist, alle Teams sind defensiv gut organisiert“
Dieter Hecking
Borussias Cheftrainer
mit seinem Team Systemvarianten einzustudieren, derzeit proben die Gladbacher ein 4-3-3.
In der vergangenen Saison murrten viele Fans ob des zu unattraktiven Borussen-Spiels, der eine oder andere tat seinen Unmut auch während der Jahreshauptversammlung im April kund. „Wir haben da schon genau hingehört“, sagt Hecking. Er und Manager Max Eberl haben sich Gedanken gemacht, wie er aussehen könnte, der Gladbach-Stil der neuen Saison. Attraktiv soll er sein, offensiv – und natürlich erfolgreich. Eine Systemumstellung wäre ein Zeichen für den Umbruch.
Der Ballbesitzfußball, den Ex-Trainer Lucien Favre perfektioniert hatte, ist an seine Grenzen gestoßen, da die Gegner immer massiver Lücken schließen. André Schuberts unterhaltsamer, aber zuweilen hyperaktiver Ansatz, erwies sich als zu anfällig. Hecking versuchte in den vergangenen eineinhalb Jahren beide Ansätze zu vereinen. Das stabilisierte. Für mehr reichte es aber nicht, auch, weil ständig Spieler ausfielen. Nun geht es darum, Borussia ein konkretes spielerisches Gesicht zu geben.
Borussias Ansatz war lange Zeit ein 4-4-2 ohne echten Stoßstürmer. Es gab Versuche, klassische Mittelstürmer-Typen zu integrieren, doch das gelang nicht. Jetzt aber sucht Borussia explizit eine Nummer 9, einen Mann für den Strafraum – und ist bereit, dafür viel Geld auszugeben. Niclas Füllkrug war auserkoren, doch der entschied sich, in Hannover zu bleiben. Nun soll der Franzose Alassane Pléa aus Nizza kommen, möglicherweise noch diese Woche. 16 Tore erzielte der 25-Jährige in der vergangenen Saison, bis zu 25 Millionen Euro würde er kosten, wenn alles geregelt ist.
Doch Stürmer müssen „gefüttert“werden. „Die WM zeigt, dass das Spiel nach vorn nicht einfach ist, alle Teams sind defensiv gut organisiert, lassen wenig Lücken“, sagt Hecking. Ein Problem, das die Gladbacher in der vergangenen Saison auch oft hatten: viel Ballbesitz, wenig Ertrag. Ballbesitzfußball wird ein Grundprinzip bleiben, doch soll alles schneller und überraschender werden. „Eins-gegen-eins-Spieler und schnelles Umschalten nach Ballgewinn“sollen dafür sorgen. Dribbler wie Ibrahima Traoré oder der neue Engländer Keanan Bennetts können da nützlich sein. Aber auch Raffael und der noch verletzte Lars Stindl können die entscheidenden Pässe spielen oder die Freiräume nutzen, die ein Strafraumstürmer schafft.
Das 4-3-3 ist ein System mit fünf offensiv ausgerichteten Spielern, zumindest in der Variante mit einem Sechser und zwei Achtern im Zentrum. „Die Frage ist doch: Welches System passt am besten zu den Spielern, die ich habe“, sagt Hecking. Er hat gerade im zentralen Mittelfeld viel Qualität, „da schaue ich natürlich, dass ich von den Spielern, die da sind, möglichst viele unterbringe“, sagt Hecking. Stindl, Michael Cuisance, Denis Zakaria, Florian Neuhaus oder Laszlo Bénes sind sogenannte Achter, Umschaltspieler, zudem sind da die Sechser, Borussias Weltmeister Christoph Kramer und Tobias Strobl.
Es geht um die Mischung mit der richtigen Balance, denn wie gefährlich zu viel Offenheit ist, hat das WM-Debakel des DFB-Teams gezeigt. Doch gibt es einige Varianten mehr, die durchaus interessant klingen. „Es ist ein Puzzle, das man sich zurechtlegt“, sagt Hecking.
Es wird Alternativen geben. Das 4-3-3 ist nur eine Variante, die erste, möglicherweise. „Das 4-4-2, in dem sich die Mannschaft sehr wohl fühlt, kommt nicht in die Mottenkiste. Und die Dreierkette ist auch ein Ansatz“, sagt Hecking. Mit offensiv ausgerichteten Außenverteidigern wie Michael Lang, der aus Basel kommt, und dem Dänen Andreas Poulsen, hat Borussia zwei Spieler geholt, die ein 3-5-2 oder ein 3-4-3 möglich machen. Borussia will neue Wege gehen, ihrer DNA aber treu bleiben. Nach vorn denken, ganz in der Gladbach-Tradition. Auch Meistertrainer Hennes Weisweiler ließ seine Fohlen einst im 4-3-3 stürmen.