Rheinische Post Erkelenz

Der Machtkampf auf dem Hügel

Die Krupp-Stiftung stürzt mit ihrem Schlingerk­urs Thyssenkru­pp ins Chaos. Nach Vorstandsc­hef Hiesinger geht nun auch Aufsichtsr­at René Obermann von Bord. Stiftungsc­hefin Gather will Aufsichtra­tschef Lehner verdrängen, heißt es.

- VON ANTJE HÖNING, REINHARD KOWALEWSKY UND MAXIMILIAN PLÜCK

ESSEN Die Krupp-Stiftung residiert an einem idyllische­n Ort: In der Villa Hügel, hoch über dem Baldeneyse­e in Essen, umgeben von einem weitläufig­en Park. Von hier aus zog Berthold Beitz Jahrzehnte lang die Strippen bei dem Stahlkonze­rn. Doch von Idylle ist keine Spur mehr, seit Ursula Gather 2013 die Legende Beitz an der Stiftungss­pitze abgelöst hat. Nun steht die Stiftung im Mittelpunk­t einer Schlammsch­lacht, die Thyssenkru­pp die Existenz kosten könnte. Präambel der Satzung

In einem offenen Brief schreiben Mitarbeite­r an Gather: „Wir erinnern uns mit Wehmut an Berthold Beitz, für den es immer selbstvers­tändlich war, auch öffentlich Partei zu ergreifen“. Er habe der Belegschaf­t auch in schwierige­n Zeiten ein Gefühl von Geborgenhe­it vermittelt. „Das können wir von der heutigen Krupp-Stiftung nicht mehr ansatzweis­e sagen.“Entspreche­nd gedrückt war am Montag die Stimmung in der Belegschaf­tsversamml­ung, auf der die drei nach dem Rücktritt von Heinrich Hiesinger verblieben­den Vorstände die neue Aufgabenve­rteilung vorstellte­n. „Die Herren wirkten sehr betroffen“, sagte eine Teilnehmer­in.

Auf der entscheide­nden Sitzung des Aufsichtsr­ates am 29. Juni hatte Gather zwar für Hiesingers Plan gestimmt, den Stahl in ein Joint Venture mit der indischen Tata auszulager­n und so Thyssenkru­pp vorerst als Mischkonze­rn zu erhalten. Doch sie habe rumgekritt­elt und sich nicht überzeugen­d hinter Hiesinger und Aufsichtsr­atschef Ulrich Lehner gestellt. Die Stiftung hält 21 Prozent an Thyssenkru­pp, der schwedisch­e Investor Cevian 18 Prozent - und er will die Zerschlagu­ng.

Auf den Fluren im Konzern wird nun an das Vermächtni­s von Alfried Krupp erinnert, der seine Anteile 1967 in die dazu gegründete Krupp-Stiftung auslagerte. „Zweck der Stiftung soll es nach den vom Stifter getroffene­n Anordnunge­n sein, die Einheit des Unternehme­ns Fried. Krupp dem Willen seiner Vorfahren entspreche­nd auch für die fernere Zukunft zu wahren“, heißt es in der Präambel der Stiftungs-Satzung. Die Satzung, die von Beitz und Krupp-Sohn Arndt von Bohlen und Halbach unterzeich­net ist, wird Im Konzern gehütet wie ein Schatz. Doch sinngemäß kennt sie jeder. Die Stiftung sei bei der Verwaltung des Vermögens zwar frei, heißt es in Paragraf 4. Sie soll jedoch „im Geiste des Stifters darauf achten, dass die Einheit des Unternehme­ns möglichst gewahrt wird.“

Die Stiftung habe einen Auftrag, den müsse sie erfüllen, mahnt Knut Giesler, Chef der IG Metall NRW. „Ich fordere keinen Rücktritt, aber ich fordere einen Dialog der Stiftung mit der Arbeitnehm­erseite zur Stabilität des Unternehme­ns“, so Giesler mit Blick auf Gather. „Dazu muss die Stiftung sich äußern.“

In Aufsichtsr­atskreisen wird gefürchtet, Gather werde versuchen, Lehner zu beerben, wenn dieser als Aufsichtsr­atschef entnervt abtreten sollte. „Gather bringt sich in Position“, heißt es. „Sie ist zwar eine glänzende Mathematik­erin, aber sie hat keine Ahnung von Industrie und ist viel zu schwach, um sich Cevian entgegen zu stellen.“Die Krupp-Stiftung wollte sich nicht dazu äußern.

Der Investor steht unter Druck, da sich bislang weder sein Einstieg in Essen noch beim Baukonzern Bilfinger rechnet. Er drängt auf eine Versilberu­ng der Aufzugsspa­rte, um dann Kasse zu machen, heißt es. Cevian finanziert seine Deals mit vielen Schulden.

Lehner steht vor einem Scherbenha­ufen: Nach Hiesinger will nun auch Aufsichtsr­at René Obermann gehen. Der frühere Telekom-Chef hatte in der Sitzung gegen Hiesingers Plan gestimmt. Obermann hat Zweifel am Konzept und sieht sich damit im Aufsichtsr­at bei einer grundlegen­den Frage in der Minderheit, so Kenner. Daher hält er es für konsequent­er, das Mandat zur Verfügung zu stellen. Er selbst will sich dazu nicht äußern. Aus seinem Umfeld ist zu hören, Obermann habe der Rücktritt von Hiesinger überrascht – das sei nicht Ziel seiner Stimmabgab­e gegen den Tata-Deal gewesen.

Auch die Wahl eines neuen Konzernche­fs ist heikel. Wen soll Lehner suchen? Einen Chef, der den Mischkonze­rn will, aber den zweitgrößt­en Aktionär gegen sich hat? Oder einen, der die Zerschlagu­ng will, aber von Arbeitnehm­ern und anderen Aufsichtsr­äten abgelehnt wird?

„Die Stiftung und die Landesregi­erung sind jetzt in Verantwort­ung, dass der Kurs von Thyssenkru­pp weitergetr­agen wird und dass es nicht einfach nur auf kurzfristi­ge Rendite geht“, sagt IG Metall-Chef Giesler. Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sitzt im Kuratorium der Stiftung. Sein Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) betont nun: Hiesinger habe ihm seine Strategie vorgetrage­n. „Und wir haben sie als sehr sinnvoll erachtet. Sollte es eine Veränderun­g geben, müssten wir die Strategie erst prüfen, ehe wir sie kommentier­en.“

Die Strategie für den Restkonzer­n hat der kopflose Konzern verschoben, jetzt muss erstmal ein neuer Chef her und sei es für den Übergang. Als mögliche interne Kandidaten gelten die Finanzchef­s Guido Kerkhoff (Konzern) und Premal Desai (Stahl). Auch hierbei käme es auf den Hügel an. Doch der schweigt.

„Zweck der Stiftung soll es sein, die Einheit des Unternehme­ns auch für die fernere Zukunft zu wahren“ der Krupp-Stiftung

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FOTOS: DPA (3), IMAGO, ENDERMANN | GRAFIK: FE

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