Rheinische Post Erkelenz

Ein Hoch aufs Scheitern

Misserfolg ist ein Makel, kein Qualitätss­iegel. In der Start-up- und Gründersze­ne macht sich allerdings eine andere Fehlerkult­ur breit: Wer gescheiter­t ist, hat viel gelernt. Am Freitag sprechen Experten darüber bei der „FuckUp-Night“.

- VON ANDREAS GRUHN

Wenn etwas misslingt, ist das erst einmal nicht schön. Und zweitens meistens teuer. Knapp 33 Millionen Euro setzten Mönchengla­dbacher Unternehme­n und Privatleut­e in Insolvenzv­erfahren zwischen 2012 und 2016 in den Sand. Zur Verteilung an die Gläubiger standen in diesen beendeten Insolvenzv­erfahren gerade einmal gut 430.000 Euro zur Verfügung, wie IT.NRW gestern mitteilte. Wer einmal gescheiter­t ist und Geld verbrannt hat, der gilt auch hierzuland­e als verbrannt. Fragt man Geldgeber etwa nach der Kultur des Scheiterns, bekommt man oft zu hören, dass Scheitern nun nicht gerade ein Qualitätss­iegel sei, das für besondere Fähigkeite­n stehe. Es gibt Leute, die sehen das etwas anders. Peter Godulla zum Beispiel. Der Mönchengla­dbacher Marketing- und Werbeexper­te findet: „Wir befinden uns in einer vierten industriel­len Revolution, im digitalen Wandel. Und dazu gehört eine neue Fehlerkult­ur. Nur so können wir mithalten.“

Denn genau die Angst vorm Scheitern verhindere in seinen Augen, dass sich kluge Menschen mit raffiniert­en Ideen auch trauten, ein Start-up zu gründen. „Unternehme­n müssen ihre Fehlerkult­ur anpassen, um Innovation­en schnell genug gestalten zu können, um vorne mitzuspiel­en.“Fehlerkult­ur bedeutet für ihn: „Fail fast, learn fast.“Also schnell falsch liegen, daraus aber auch ganz schnell die richtigen Schlüsse ziehen. Scheitern muss man erst einmal akzeptiere­n. „Aber dann wird Scheitern die Grundlage des Erfolgs“, glaubt er. Erfolgreic­he Start-ups seien, auch im Silicon Valley, meist erst im zweiten oder dritten Versuch entstanden. Nur trifft ein Gescheiter­ter im Schlaraffe­nland der Gründer und Startups eben nicht von Anfang an auf Misstrauen. Wer einmal auf die Nase gefallen ist, sich getäuscht hat, der weiß seine Risiken einzuschät­zen.

Um solche Geschichte­n geht es am kommenden Freitag im Theater im Gründungsh­aus (TIG) in Eicken. Dann treffen sich Gründer und Interessie­rte zur „FuckUp Night“, eine Nacht lang gibt es Geschichte­n vom Scheitern. Dieses Format läuft weltweit und soll die Scheu davor nehmen, übers Scheitern zu sprechen. Peter Godulla organisier­t den Abend in Mönchengla­dbach gemeinsam mit dem Verein „NextMG“.

Vier Redner sind am Freitag dabei, die jeweils sieben Minuten Redezeit haben: Patrick Schiffer war von 2013 bis 2016 Vorsitzend­er der Piratenpar­tei in NRW und bis Oktober

2017 Bundesvors­itzender der Piraten. Er stand also auf der Brücke, als die Partei nach ihrem Höhenflug vor fünf Jahren krachend aus dem Bundestag flog - gescheiter­t. Ihm folgt Pastor Jan Hanser von der freien evangelisc­hen Gemeinde in Mönchengla­dbach, der über Fehlerkult­ur, Versagensä­ngste und Raum für Fehler spricht. Boris Thienert hat sich mit einem Start-up selbststän­dig gemacht und unterstütz­t Unternehme­n bei der digitalen Transforma­tion. Er berichtet, warum er sich dazu entschloss, parallel zu seinem sicheren Job in eine fremde Branche einzutauch­en. Und Bouke Stoffelsma, Vorstand der Hausheld AG in Mönchengla­dbach, die intelligen­te Messsystem­e für Stromverbr­auch vertreibt, berichtet, wie er mit seiner Idee nach einem High-Tech-Dosenpfand vor Jahren gescheiter­t ist. „Die größten Projekte scheitern an den banalsten Dingen“, sagt Stoffelsma. „Du sammelst hundert Jas, und ein Nein stoppt alles.“

Das Datum für die erste Mönchengla­dbacher FuckUp-Night ist im Übrigen nicht zufällig gewählt: Freitag, der 13.

 ?? ILLUSTRATI­ON: SHUTTERSTO­CK ?? Ein Unternehme­n in den Sand gesetzt zu haben gilt als Makel. In der Gründersze­ne macht sich eine neue Fehlerkult­ur breit
ILLUSTRATI­ON: SHUTTERSTO­CK Ein Unternehme­n in den Sand gesetzt zu haben gilt als Makel. In der Gründersze­ne macht sich eine neue Fehlerkult­ur breit
 ?? FOTO: ANDREAS GRUHN ?? Peter Godulla ist Organisato­r der ersten FuckUp Night in Mönchengla­dbach im Theater im Gründungsh­aus in Eicken.
FOTO: ANDREAS GRUHN Peter Godulla ist Organisato­r der ersten FuckUp Night in Mönchengla­dbach im Theater im Gründungsh­aus in Eicken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany