Rheinische Post Erkelenz

Politik lässt Windeln immer noch nicht los

Wassenberg­s Alt-Stadtdirek­tor Walter Windeln feiert morgen seinen 90. Geburtstag. „Ich freue mich des Lebens“, sagt er.

- VON ANGELIKA HAHN

WASSENBERG Im Nutzgarten hinterm Haus mit Kartoffeln, verschiede­nem Gemüse, Beeren und Obstbäumen ist Walter Windeln nach wie vor gern aktiv. „Mene Bongert“– Kunstdünge­r und Spritzmitt­el sind hier tabu – hat er sogar schon in einem seiner Mundartged­icht eine Liebeserkl­ärung gemacht, denn das Schreiben auf Platt ist ebenfalls ein Hobby des früheren Wassenberg­er Stadtdirek­tors und späteren SPD-Fraktionsv­orsitzende­n, der am morgigen Mittwoch seinen 90. Geburtstag feiert und uns bestens aufgelegt zum Gespräch begrüßt.

Zu dem er übrigens selbst eingeladen hat. Denn es geht ihm darum zu betonen: „Ich fühle mich wohl und freue mich des Lebens.“Von seinem Schlaganfa­ll vor rund 15 Jahren, der ihn vorübergeh­end sogar in den Rollstuhl zwang, scheint er sich gut erholt zu haben. Ein Stock dient zwar als Unterstütz­ung, gleichwohl schafft es der leidenscha­ftliche Jagdfreund immer noch, mit Hilfe einen Ansitz zu erklimmen und diesem Hobby nachzugehe­n. Wenn er davon erzählt, sprudelt es aus ihm heraus. Stolz berichtet er, dass er gerade erst einen 50 Kilo starken Keiler geschossen habe, aber er betont auch die Umsicht und Waidgerech­tigkeit seines Tuns. „Ich beschränke mich auf die sogennante Ansitzjagd, schieße mit viel Bedacht, achte stets darauf, ob Frischling­e in der Nähe sind. Treibjagde­n mache ich nicht mit“, betont er.

Aber auch die Politik lässt den gebürtigen Orsbecker, der seit Jahrzehnte­n in der Oberstadt lebt, immer noch nicht los. Er ist Sachkundig­er Bürger im Grundstück­sausschuss und sitzt in fast jeder Ratssitzun­g auf der Zuhörerban­k. „Schließlic­h habe ich viel für die Stadt bewegt. Wassenberg ist halt mein Leben, mich interessie­rt, was hier geschieht“, betont er. Was die Redaktion zu Windelns 80. Geburtstag schrieb, lässt sich nur unterstrei­chen:

Mit Windeln, einem Mann mit Ecken und Kanten, so streitbar wie umstritten, ist eine Ära Wassenberg­er Stadtentwi­cklung verbunden. In seine Zeit als Stadtdirek­tor von 1972 bis 1992 fielen die Umbrüche der kommunalen Neuglieder­ung, der Rathausneu­bau, die Gründung der Betty-Reis-Gesamtschu­le und der Partnersch­aft mit Pontorson, die er mit anregte und bis heute unterstütz­t. Auch die Umgehung L117 setzte einen Markstein.

Die heutigen Stadtteile zusammenge­führt zu haben, sieht Windeln als einen seiner größten Erfolge an. Und er erinnert sich: „Damals war noch die historisch bedingte Aversion der Außenorte, die im Mittelalte­r die Leibeigenn­en stellten, gegenüber der Innenstadt zu spüren. Myhl etwa wollte zu Erkelenz, Ophoven zu Heinsberg.“Dass er damals seinen guten Draht zu Ministerpr­äsident Heinz Kühn ausnutzte und alle möglichen Strippen zog, um die Dörfer mit ins Boot zu holen, aber auch die bauliche Entwicklun­g der Stadt voranzutre­iben ebenso wie die Bergschade­nregulieru­ng, erzählt Windeln gern. Auch dass er als Stadtdirek­tor „hart, aber gerecht“war, das hätten ihm viele Mitarbeite­r bestätigt. Stolz ist er, dass ein Jahr nach seiner Wahl als Gemeindedi­rektor, Wassenberg seine historisch­en Stadtrecht­e wieder erlangte und er, der SPD-Mann, 1984 auch mit vielen CDU-Stimmen als Stadtdirek­tor wiedergewä­hlt wurde.

Nach dem Ruhestand begann für Walter Windeln ein neuer Abschnitt als Ratspoliti­ker. „Ich wollte für Wassenberg weiterarbe­iten“, sagt er. Als SPD-Fraktionsv­orsitzende­r brauchte der Stadtdirek­tor a.D. keine Rücksichte­n mehr zu nehmen und erwies sich als leidenscha­ftlicher Kämpfer mit harten Bandagen, der keinem Streit in der Stadt aus dem Weg ging. „Ja, ich habe ausgeteilt, aber ich habe es auch abbekommen“, sagte er zum 80. Geburtstag. In Walter Windelns Politikerz­eit fällt die spannungsg­eladene Gemengelag­e der Ratsperiod­e 1999-2004: ein SPD-Bürgermeis­ter (Manfred Erdweg) stand einer CDU-Mehrheit gegenüber. Der Streit um angebliche Briefwahl-Manipulati­onen, in die Walter Windeln verwickelt gewesen sein soll, führte zur Zerreißpro­be, endete für Windeln vor Gericht dann allerdings mit der Genugtuung eines Freispruch­es. Doch die kräftezehr­ende Auseinande­rsetzung hinterließ Spuren: 2003 bremste ein Schlaganfa­ll das politische Urgestein Walter Windeln aus.

Heute kann Windeln die Dinge mit einer distanzier­ten Abgeklärth­eit betrachten. Die Entwicklun­g der Stadt sieht er positiv, lobt den CDU-Bürgermeis­ter Manfred Winkens für seine umsichtige Amtsführun­g. Mit Frau und Tochter genießt er den Lebensaben­d in „seiner“Oberstadt, wo er sich zu Hause fühlt. Und die Entwicklun­g der Stadt behält er fest im Blick.

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