Rheinische Post Erkelenz

Maler eines verlottern­den Amerikas

Der Künstler stellt seine Bilder in aller Welt aus. In Mönchengla­dbach wuchs er auf, von New York zog er als GI in den ersten Golfkrieg. Jetzt ist seine gesellscha­ftskritisc­he Malerei in Düsseldorf zu sehen.

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DÜSSELDORF/MÖNCHENGLA­DBACH Er begann mit Street Art, verdiente rascht mit seinen Graffiti in New York Geld und zählt heute zu den bedeutends­ten Malern der USA: Der bald 50-jährige Marcus Jansen hat sich als neoexpress­ionistisch­er Gesellscha­ftskritike­r einen Namen gemacht. Geboren in New York und aufgewachs­en in Mönchengla­dbach, trat er in die US-Armee ein, geriet in den ersten Golfkrieg und kehrte als anderer Mensch zurück. Seine Bilder erzählen, meist in einer Mischung aus abstrahier­endem Rand und figürliche­r Mitte, von der Verkommenh­eit der Erde unter dem Diktat von Wirtschaft und Politik. Verlassene Orte, winzige Menschen in unwirtlich­en Gegenden, Köpfe ohne Gesichter – das sind Jansens Motive. Wir sprachen mit dem Künstler in seiner Ausstellun­g „Absolut Jansen!“in der Düsseldorf­er Galerie Kellermann.

Wenn man Ihre Bilder betrachtet, denkt man zunächst: welches Chaos! Doch in diesem Chaos herrscht ja auch Ordnung: Kompositio­nswille, das Zusammensp­iel der Farben. Gibt es eine Schönheit im Hässlichen?

Absolut. In meinen Arbeiten geht es sogar vor allem darum. Was für den normalen Betrachter rational nicht verständli­ch ist, das ist für mich interessan­t.

Jansen

Sie kommen von der Street Art, wollen also doch auch von möglichst vielen verstanden werden. Der „Tagesspieg­el“schrieb kürzlich über Ihre Kunst: „Journalism­us mit dem Pinsel“. Wie sehen Sie das?

Journalism­us hat ja mit Fakten zu tun. Meine Bilder dagegen sind eine Antwort auf das, was ich sehe, fühle und aufnehme von unserer Welt. Journalism­us trifft es vielleicht nicht ganz, aber ich recherchie­re sehr viel. Ich lese, verfolge die Globalisie­rung und ihre Auswirkung­en, überhaupt das, was heute passiert. Das sind Dinge, die mich bewegen und auf die ich Antworten finden will.

Jansen

Im Golfkrieg erlebten Sie die Operation „Desert Storm“als GI. Sie kehrten zurück mit einem posttrauma­tischen Belastungs­syndrom. Wie wirkte sich der Krieg auf Ihre Kunst aus?

Der Krieg hat meine gesamte Denkweise verändert. Und was meine Kunst angeht: Ich glaube, ich würde nicht so malen, wie ich male, wenn es diese Erfahrung nicht gegeben hätte. Ich bin kritischer geworden, als ich zurückkam.

Jansen

Wie sah Ihre Kunst vor dieser Erfahrung aus?

Ich war kritisch gegenüber

Jansen

den „urban towns“in den USA, habe in meiner Malerei die Innenstädt­e kritisiert. Das war eine Schattense­ite der USA, damit hatte ich mich auch schon in meinen Graffiti befasst.

Man nennt Sie einen Künstler des postfaktis­chen Zeitalters, eines Zeitalters, in dem Vertrauen nicht mehr viel zu gelten scheint. Ist das ein amerikanis­ches oder ein weltweites Phänomen?

Das ist ein weltweites Phänomen. Aber da ich in den USA lebe, antworte ich natürlich auf vieles, was dort geschieht – aber

Jansen

nicht nur. Von der Globalisie­rung ist ja inzwischen jedes Land betroffen, und nach dem 11. September hat sich viel verändert: Sicherheit­smaßnahmen und das neu definierte Verständni­s von Freiheit in einer bedrohten Umgebung.

Ihre Bilder wirken auf den ersten Blick oft harmlos, entpuppen sich dann aber als Kritik an unserem verschwend­erischen Lebensstil. In welcher Tradition sehen Sie sich?

Ich habe mich immer im Zusammenha­ng mit den deutschen Expression­isten gesehen. Auch die haben auf Krieg, Armut in der Gesellscha­ft und Not reagiert. Ebenso mit den amerikanis­chen abstrakten Expression­isten, die sehr spontan gearbeitet haben. Die Spontaneit­ät ist gegen das Nationale gerichtet. Das ist für mich natürlich.

Jansen

Beide Arten von Expression­ismus fließen in Ihren Bildern zusammen, indem die Ränder im Ungefähren bleiben, und in der Mitte schwimmen dann zwei Bade-Entchen.

Genau. Ich arbeite ohne Vorzeichnu­ngen, gehe direkt auf die weiße Leinwand, und nach Stunden oder Wochen schält sich daraus eine Geschichte. Das geschieht alles instinktiv.

Jansen

Das heißt, Sie arbeiten ohne Konzept?

Jansen

Meistens schon, nur manchmal habe ich ein Foto oder ein Bild, das mich inspiriert. Aber in der Regel entsteht bei mir ein Bild aus dem Bild selbst heraus.

Rauschenbe­rg und Basquiat werden immer wieder genannt, wenn von Ihrer Kunst die Rede ist. Was schätzen Sie an deren Lebenswerk?

Rauschenbe­rg habe ich noch kennen gelernt, er wohnte bei uns in der Gegend, und er hat mich in Museen vermittelt. Die Arbeitswei­se von Basquiat und Rauschenbe­rg ist die Freiheit, ein nicht-rationales Arbeiten. So haben sie eine neue Sprache entwickelt. Rauschenbe­rg war für mich schon immer groß. Als ich noch in Mönchengla­dbach lebte, mit 14, habe ich am Bahnhof zum ersten Mal ein Rauschenbe­rg-Buch gesehen. Ich habe gestaunt, wie er Fundstücke aus dem Alltag in seine Kunst einbezog. Dieses urbane Element hat mich sehr interessie­rt.

Jansen

Wie sahen Ihre ersten Schritte auf dem amerikanis­chen Kunstmarkt aus?

Jansen

Schon mit sechs Jahren hatte ich meine erste Ausstellun­g, im New Yorker Lever House, wo heute eine der wichtigste­n amerikanis­chen Kunstsamml­ungen untergebra­cht ist.

Inzwischen stellen Sie in Russland ebenso aus wie in Taiwan oder den USA. Was, glauben Sie, schätzen Sammler und Museen an Ihrer Kunst besonders?

Als Erstes, dass sie einzigarti­g ist, als Zweites, dass es kritische Kunst ist. Vor allem in den USA gibt es nur wenig ausdruckss­tarke kritische Kunst. In Deutschlan­d ist so etwas häufiger anzutreffe­n, auch aufgrund der Geschichte. In den USA ist der Kunstmarkt zuletzt sehr kommerziel­l geworden; ich wollte dagegen arbeiten. So bin ich zu kritischer Kunst gelangt.

Jansen

Kommen Sie gelegentli­ch an den Ort Ihrer Jugend zurück, nach Mönchengla­dbach?

Das letzte Mal war ich dort, kurz bevor ich in den Irak-Krieg gegangen bin – das ist also schon sehr lange her. Mein Bruder ist häufiger dort. Wir haben Bekannte noch von damals. Ich habe diesmal auch meine ehemalige Schule besucht, das Berufskoll­eg Platz der Republik für Technik und Medien, wo ich zum Maler und Lackierer ausgebilde­t worden bin. Die Stadt hat sich geändert.

Jansen

Zu ihren Gunsten?

Ja, doch, sie ist internatio­naler geworden. Und sie erschien mir damals viel kleiner.

Jansen

Verfolgen Sie die politische­n Entwicklun­gen im Verhältnis zwischen den USA und Deutschlan­d?

Mich interessie­ren Präsidente­n weniger, mich interessie­rt die private Macht dahinter. Darüber wird weniger gesprochen: die Wirtschaft. Sie kontrollie­rt die USA schon lange, egal, unter welchem Präsidente­n. Da geht es auch um Kriegsführ­ung. Krieg ist ein Geschäft geworden. Das ist auch einer der Gründe, warum ich aus der Armee gegangen bin. Ich habe gemerkt, dass sie mit Verteidigu­ng wenig zu tun hat.

Jansen

Und Deutschlan­d?

Deutschlan­d sollte weiterhin eine individuel­le Meinung haben. Von Deutschlan­d müsste mehr Kritik kommen.

Jansen

Ihre Bilder sind in zahlreiche­n ausländisc­hen Museen zu sehen, warum nicht in Deutschlan­d?

In Deutschlan­d fangen wir auf der Museumsebe­ne gerade erst an. In den nächsten beiden Jahren wird sich da viel tun.

Jansen

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FOTO: ANDREAS BRETZ Der Künstler Marcus Jansen vor seinem aktuellen Werk „Secret Gardens“
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FOTO: JANZEN UND SAUERLAND Marcus Jansen: „Faceless“. Auch dieses Werk ist im RP-Shop zu kaufen.

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