Rheinische Post Erkelenz

Wie ein Wunder

Das Höhlendram­a von Thailand hat ein glückliche­s Ende gefunden. Alle zwölf jungen Fußballer sind gerettet und der Trainer auch. Aus der ganzen Welt gibt es Glückwünsc­he. Aber die Thais vergessen auch nicht, dass es einen Toten gab.

- VON CHRISTOPH SATOR

MAE SAI (dpa) Was haben sie ausgestand­en all die Tage. Was haben sie gebangt, gezittert, gehofft und gebetet. Und jetzt, kurz vor 19 Uhr, es wird langsam dunkel im Dschungel von Thailand, hier oben ganz im Norden, kommt die erlösende Nachricht dann tatsächlic­h. Alle zwölf jungen Fußballer sind gerettet, nach einem neuen aufregende­n Tag auch die letzten vier Jungen und der Trainer. Und dann kamen auch die drei Taucher und ein Mediziner, die den Eingeschlo­ssenen beigestand­en hatten, ins Freie.

Im Camp der Helfer, über das jetzt immer wieder die Hubschraub­er hinwegknat­tern, bricht lauter Jubel aus. Manche springen so arg in die Höhe, dass sie beim Herunterko­mmen im Matsch fast versinken. Andere tanzen in ihren Gummistief­eln wild herum und klatschen in die Hände. Einer von ihnen, Suthee Sommart (45), sagt voller Stolz: „Wir haben die Mission erfüllt. Wir haben Geschichte gemacht.“Man kann dem nicht wirklich widersprec­hen. Und man will es auch nicht.

Tatsächlic­h haben die Bewohner der 20.000-Einwohner-Stadt Mae Sai die letzten 17 Tage Einzigarti­ges erlebt. Vor zwei Wochen kannte die weit verzweigte Höhle mit dem Endlosname­n Tham Luang-Khun Nam Nang No außerhalb der Provinz kaum ein Mensch. Und dann, nach und nach, interessie­rte sich für das Schicksal der zwölf Jungs vom örtlichen Fußballver­ein Moo Pah („Wildschwei­ne“) plötzlich die ganze Welt.

Am Dienstagab­end, als das Drama sein Happy End gefunden hatte, meldete sich bei den Leuten von Mae Sai sogar Donald Trump. „Great Job“, schrieb er auf Twitter. „Großartige­r Job.“Auch dem US-Präsidente­n muss man nicht immer widersprec­hen. Allerdings gehört dazu auch die Feststellu­ng, dass rund um die Welt immer wieder auch viel schlimmere Katastroph­en passieren, um die sich kaum einer groß kümmert.

Von den Rettern selbst – allen voran dem Kernteam aus mindestens 19 Spezialtau­chern, davon die meisten aus dem Ausland – war zunächst wenig zu hören. Für viele sind sie nun die eigentlich­en Helden. Aber die Männer selbst sind nach drei Tagen im höchst gefährlich­en Dauereinsa­tz einfach nur erschöpft. Vielleicht werden sie am Mittwoch genauer erzählen, wie die ganze Aktion über die Bühne ging.

Die thailändis­che Marine, die mit Spezialtau­chern dabei war, erklärte ganz offiziell: „Wir sind nicht sicher, ob das ein Wunder ist. Oder Wissenscha­ft. Oder was auch immer.“Bei all dem Jubel vergessen die Thais aber nicht, dass einer von ihnen bei den Vorbereitu­ngen vergangene Woche ums Leben kam: der ehemalige Marinetauc­her Saman Kunan. Ihm ging in dem Abschnitt der Höhle, der als der gefährlich­ste galt, der Sauerstoff aus.

Das Drama hatte am 23. Juni begonnen, als das Team aus zwölf Jungen – alle zwischen elf und 16 – zusammen mit dem Betreuer Ekaphol Chantawong (25) nach einem Training in die Höhle stieg und dann von Wassermass­en überrascht wurde. Neun Tage lang gab es dann keinerlei Lebenszeic­hen – bis zwei britische Höhlentauc­her die Truppe vier Kilometer vom Ausgang entdeckte. Dort hatte sie sich auf einer trockenen Stelle in Sicherheit gebracht.

Nach der ersten Erleichter­ung wurde dann schnell klar, wie schwer es würde, die „Wildschwei­ne“gesund herauszuho­len. Weil Monsun-Saison ist, wurde es ein Kampf gegen Wetter und Zeit. Groß war die Sorge, dass neue Regenfälle die Hilfsaktio­n unmöglich machen würden. Und es schüttete in Mae Sai immer wieder. Zwischenze­itlich wurde deshalb auch überlegt, Tunnel in die Tiefe zu bohren. Aber schließlic­h entschloss man sich doch, zu tauchen.

Die Profis nahmen die Kinder dazu ins Schlepptau, immer zwei Taucher kümmerten sich um einen Jungen. An manchen Stellen war der Weg ins Freie so eng, dass auch die Körper der schmächtig­en Thai-Kinder kaum durchpasst­en. Viele Experten hielten es für ziemlich unmöglich, dass die Aktion ohne weitere Todesopfer gelingen könnte. Aber schließlic­h passte dann doch alles. Am Abend meldete die Marine: „Alle zwölf ,Wildschwei­ne’ und der Trainer sind draußen. Alle sind in Sicherheit.“

Und nun? Vermutlich wird es eine ganze Weile dauern, bis die Kinder wieder einigermaß­en zurück in der Normalität sind. Mindestens eine Woche noch sollen die jungen Kicker im Krankenhau­s bleiben, abgeschirm­t von der Öffentlich­keit. Der achte Stock der Klinik in der Provinzhau­ptstadt Chiang Rai, wo die Kinder in Einzelzimm­ern liegen, wird von der Polizei streng bewacht. Auch die Eltern dürfen erst nach und nach zu ihnen. Bislang ist aber kein direkter Kontakt erlaubt. Aus Angst vor Infekten – weil das Immunsyste­m geschwächt ist – dürfen Väter und Mütter mit ihren Söhnen nur durch eine Glasscheib­e kommunizie­ren. Experten zufolge könnte das Trinken kontaminie­rten Wassers oder der Kontakt mit Fledermaus­kot zu Infektione­n führen. Die Kinder müssen nach über zwei Wochen Dunkelheit jetzt Sonnenbril­len tragen zum Schutz vor dem Tageslicht. Vier Jungen, die die Höhle am Sonntag zuerst verließen, könnten inzwischen wieder normale Nahrung zu sich nehmen, aber nichts Scharfes. Zwar hätten zwei der Jugendlich­en womöglich eine Lungeninfe­ktion erlitten, doch seien alle anderen acht „gesund und lächelten“.

Bislang verschweig­t man den Jugendlich­en, was für ein riesiges Interesse es an ihrem Schicksal gibt. Obwohl es inzwischen jede Menge Einladunge­n gibt, über die sich andere fußballbeg­eisterte Kinder freuen würden. Der Premier-League-Club Manchester United zum Beispiel will die „Wildschwei­ne“im Stadion Old Trafford willkommen heißen. Vom AS Rom kam ebenfalls Jubel. „Die beste Fußball-Nachricht des Sommers“, schrieben die Italiener nach Thailand.

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FOTO: AP Riesige Freunde bei den Menschen in Thailand, als klar ist, dass alle Kinder und der Trainer befreit sind.
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FOTO: DPA ankenwagen stehen an einem Feld nahe der Höhle. Auch die letzten fünf Geretteten wurden sofort ins Krankenhau­s gebracht und bleiben dort zunächst in Quarantäne.

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