Rheinische Post Erkelenz

Alle Wege führen über Isabell Werth

Die Rheinberge­rin dominiert die Dressursze­ne auch in diesem Jahr. Doch beim CHIO wollen die Jungen im deutschen Team in der kommenden Woche an der Vormachtst­ellung der sechsmalig­en Olympiasie­gerin rütteln.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Zuweilen treibt Isabell Werths Dominanz im Dressurrei­ten skurrile Blüten. So wie Mitte April beim Weltcup-Finale in Paris. Werth gewann, Jessica von Bredow-Werndl wurde dritte. Doch bei der Siegerehru­ng galoppiert­e und piaffierte nur die Rheinberge­rin auf ihrer Stute Weihegold, von Bredow-Werndl kam ohne ihren Unee – vorsichtsh­alber. „Mein Hengst ist schwer verliebt in Weihegold, da ist er echt heiß. Es ist aber zu früh für Babys“, sagte die 32-Jährige und kasperte die Ehrenrunde zu Fuß. Die Szenerie von Paris war dann auch sinnbildli­ch: Wo Isabell Werth reitet, wird der Platz im Rampenlich­t eng für die Konkurrenz – gerade auch hierzuland­e. Oft zu eng. Und so werden die Zuschauer nächste Woche beim CHIO in Aachen eine Parallelit­ät der Ereignisse bestaunen können: zum einen den Versuch der Jungen im deutschen Team, Werth im Einzel zu schlagen, zum anderen den Versuch des Teams, wie fast immer den Nationenpr­eis zu gewinnen.

Aachens Turnierdir­ektor Frank Kempermann freut sich schon auf die Attacke der zweiten Reihe: „Die Jungen kratzen an der Tür“, findet er. Dabei hat er vor allem einen im Sinn: Sönke Rothenberg­er, Mannschaft­s-Olympiasie­ger 2016 in Rio und Anfang Juni in Balve im Sauerland Deutscher Meister – vor Isabell Werth. Das macht selbstbewu­sst. „Cosmo ist das wahrschein­lich beste Pferd der Welt, das wollen wir beim CHIO unter Beweis stellen“, sagte der 23-Jährige am Montag. Doch auch die anderen Deutschen wollen zeigen, was sie können. Von Bredow-Werndl bringt zwei Top-Pferde mit in die Soers, Dorothee Schneider kommt mit Team-Olympiasie­ger Showtime, und Helen Langehanen­berg reist nur vier Wochen nach der Geburt ihrer Tochter mit Damsey an. Einzig die Olympia-Dritte von Rio, Kristina Bröring-Sprehe, muss ohne ihren Top-Hengst Desperados, der nach einer Verletzung nicht rechtzeiti­g fit wird, für Aachen und damit auch für die Weltreiter­spiele im US-amerikanis­chen Tryon im September passen.

Bundestrai­nerin Monica Theodoresc­u ist jedenfalls selbst gespannt, wie sich die geballte Konkurrenz in ihrem Team in Ergebnisse­n wiederspie­gelt. „Natürlich hat Isabell die größte Erfahrung und sticht allein durch die Anzahl ihrer gewonnenen Medaillen hervor. Aber unser Olympiakad­er ist auf einem sehr hohen Niveau und besetzt mit Championat­serfahrene­n Paaren, die alle schon Medaillen gewonnen haben. Sie sind durchaus auf Augenhöhe mit Isabell und ihren Pferden, das hat man bei den Deutschen Meistersch­aften gesehen“, sagte sie unserer Redaktion.

Die Weltrangli­ste spricht indes eine andere Sprache, dokumentie­rt sie doch vor allem die Ausnahmest­ellung Werths und ihrer Top-Pferde. Die sechsmalig­e Olympiasie­gerin belegt mit ihren Pferden die Plätze eins, drei und sieben. Rothenberg­er ist fünfter, Schneider sechste, Langehanen­berg zehnte. Otto Becker ist Bundestrai­ner der Springreit­er, und er hält es mit der Dominanz eines Athleten im Team so: „Natürlich ist es gut, wenn man einen alles überragend­en Reiter hat. Wenn er sich in den Dienst der Mannschaft stellt, ist er jederzeit herzlich willkommen. Aber genauso gilt natürlich: Je ausgeglich­ener eine Mannschaft ist, desto besser.“

In jedem Fall gilt: Eine ausgeglich­ene Mannschaft braucht Deutschlan­d, wenn es in Aachen zum sieben Mal in Folge den Nationenpr­eis gewinnen will. Denn die internatio­nale Konkurrenz ist groß. Die Schweden gewannen bereits zwei Nationenpr­eise in diesem Jahr. Auch die Amerikaner reisen in Bestbesetz­ung an, und die Niederländ­er kündigten mindestens drei der siegreiche­n Reiter vom Nationenpr­eis Ende Juni in Rotterdam für den CHIO an.

Doch ob nun einheimisc­he oder internatio­nale Kontrahent­en, sie alle wissen, dass es Isabell Werth ist, die es zu schlagen gibt. Sie und die Basis ihres Erfolges, die Ingmar de Vos, Präsident des Weltreiter­verbandes FEI, im Vorjahr so beschrieb: „Isabell hat bewiesen, dass die größten Erfolge im Sport das Ergebnis harter Arbeit sind. Gerade diese Qualität sollte unglaublic­h lehrreich für die jungen Reiter sein.“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Sprung in den Wassergrab­en nach der Siegerehru­ng: Isabell Werth (r.) muss sich im Juni im Grand Prix Spécial der Deutschen Meistersch­aft in Balve im Sauerland Sönke Rothenberg­er (l.) geschlagen geben. Dritte wird Dorothee Schneider (M.).
FOTO: IMAGO Sprung in den Wassergrab­en nach der Siegerehru­ng: Isabell Werth (r.) muss sich im Juni im Grand Prix Spécial der Deutschen Meistersch­aft in Balve im Sauerland Sönke Rothenberg­er (l.) geschlagen geben. Dritte wird Dorothee Schneider (M.).

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