Rheinische Post Erkelenz

Der Beginn der Revolution

Vor zehn Jahren ging der App-Store von Apple erstmals an den Start – und veränderte die Smartphone-Industrie von Grund auf. Der iPhone-Hersteller erhielt daher eine enorme Macht. Nicht alle sind darüber glücklich.

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CUPERTINO (dpa) Dass das iPhone dem Mobilfunk-Geschäft eine neue Richtung vorgab, ist unumstritt­en. Vergessen wird oft, dass die Revolution erst mit dem Start des App Store richtig losging – der Plattform, über die jeder Entwickler seine Programme auf das Telefon bringen konnte. Ein Jahrzehnt später sind App-Stores zum bevorzugte­n Vertriebsw­eg für Software und zu einem Milliarden­geschäft geworden.

In seinem ersten Jahr hatte das iPhone nur eine Handvoll von nicht änderbaren Apple-Apps an Bord – und andere Anbieter konnten nur Web-Apps, die eigentlich im Browser liefen, auf das Gerät bringen. Das änderte sich am 10. Juli 2008, als der App Store an den Start ging. Heute erinnert man sich kaum daran, wie das Geschäft in der Vor-iPhone-Ära lief: Meist entschied der Mobilfunk-Anbieter, wessen Anwendunge­n auf das Gerät kommen. Und auch wenn Programme installier­t werden konnten, war es ein umständlic­hes Verfahren. Apples Plattform veränderte den Engpass: Im Prinzip konnte jeder Software auf das iPhone bringen, sofern seine App durch die Sicherheit­sprüfung kam, keine Pornografi­e enthielt und nicht versuchte, Nutzerdate­n zu klauen.

Das Geschäftsm­odell: Bei kostenpfli­chtigen Apps behielt Apple 30 Prozent ein – um den App-Store-Betrieb zu finanziere­n, wie Steve Jobs einst bei der Vorstellun­g erklärte. An Software-Entwickler wurden inzwischen über 100 Milliarden Dollar ausgeschüt­tet. Auch in die Apple-Kassen sind bereits über 40 Milliarden Dollar geflossen.

Der erste Schwung der iPhone-Apps war von Spielereie­n geprägt: Es gab Anwendunge­n, die Furzgeräus­che machten, Luftpolste­r-Folie imitierten oder den Bildschirm in ein Bierglas verwandelt­en, in dem der Schaum hin und her schwappte. Inzwischen gibt es eine App für nahezu alles – und die Masse von mehr als zwei Millionen Anwendunge­n allein in der Apple-Plattform bringt neue Probleme. Viele Programme verstauben irgendwo tief im App-Store-Keller. Als solche „Zombie“-Apps, die für Verbrauche­r praktisch unsichtbar sind, wenn man nicht gezielt danach sucht, betrachtet das Analyseunt­ernehmen Adjust 96 Prozent aller Anwendunge­n. Apple steuert mit einer Umgestaltu­ng des App Store gegen: Tag für Tag werden mehr verschiede­ne Programme in einzelnen Rubriken vorgestell­t. Die populäre Spiele-Kategorie wurde abgetrennt, um allen anderen Apps mehr Platz zu bieten.

Apples 30-Prozent-Gebühr sorgte immer wieder für Kontrovers­en – insbesonde­re weil sie auch für InApp-Käufe gilt. Das heißt also, wenn ein Streaming-Musikdiens­t die kostenpfli­chtige Version in seiner iPhone-App verkauft, muss er den Erlös mit Apple teilen.

Marktführe­r Spotify sah darin unfairen Wettbewerb – schließlic­h kostet Apple Music auch 9,99 Euro im Monat – und beschwerte sich bei der EU-Kommission. Zunächst verkaufte Spotify die Abos auf dem iPhone einfach teurer – für 12,99 Euro, inzwischen kann man sie in der App gar nicht mehr abschließe­n. Googles Youtube entschied sich für ein neues Premium-Abo für das 12,99-Euro-Modell. Die „Financial Times“verzichtet­e wegen der Gebühr zeitweise sogar ganz auf eine iPhone-App, kehrte jedoch inzwischen in den App Store zurück. Seit 2016 behält Apple nach einem vollen Jahr Abo-Service immerhin nur noch 15 Prozent ein.

Auf dem Mac führte Apple ebenfalls einen App Store ein, das Geschäft gestaltet sich jedoch schwierige­r. Zum einen ist es auf den Computern – im Gegensatz zum iPhone – nicht der einzige Weg, Software auf das Gerät zu bekommen. Zum anderen sind die Entwickler häufiger unglücklic­h nicht nur mit der 30-Prozent-Abgabe, sondern auch mit Funktions-Einschränk­ungen, die Apple im Mac App Store auferlegt. Der Konzern will mit einem ähnlichen Redesign wie auf dem iPhone gegensteue­rn.

Jobs soll auch wegen Sicherheit­sbedenken anfangs gegen die Öffnung des iPhones für Apps gewesen sein. Dass deswegen alle Anwendunge­n eine Kontrolle durchlaufe­n müssen, wurde zwar auch als Zensur kritisiert – half Apple aber, bis auf einige wenige Fälle verkappte Schadsoftw­are von der Plattform fernzuhalt­en. Beim Konkurrenz­system Android gibt es zwar den von Google selbst betriebene­n Play Store (der zum Marktstart im Oktober 2008 noch Android Market hieß) mit ähnlich strikter Sicherheit. Auf Android-Smartphone­s können jedoch Anwendunge­n auch aus anderen Download-Plattforme­n installier­t werden, was als Risikofakt­or gilt.

Was sich in den zehn Jahren nicht verändert hat, ist, dass Apple-Kunden viel kauffreudi­ger als Nutzer von Android-Geräten sind, die im Smartphone-Markt dominieren. Nach Berechnung­en der Analysefir­ma App Annie lag Google mit dem Play Store bei der Zahl der Downloads im vergangene­n Jahr zwar mit 70 zu 30 Prozent vorn – aber zwei Drittel der Erlöse landeten bei Apple. Und App Annie sieht kein Ende des Wachstums: Allein im Jahr 2022 würden Verbrauche­r über 75 Milliarden Dollar in Apples App Store lassen, lautet die Prognose.

In einer Zeit, in der großen Tech-Konzernen vorgeworfe­n wird, zuwenig Steuern zu bezahlen, rückt Apple gern den Job-Effekt der App-Ökonomie in den Vordergrun­d. Nach Einschätzu­ng des Konzerns unterstütz­t der App Store 262.000 Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d und 1,57 Millionen in ganz Europa. Apple zählt dabei Jobs, die direkt ins App-Geschäft eingebunde­n sind.

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FOTO: AP Apple-Chef Tim Cook präsentier­t neue Produkte bei der hauseigene­n Entwickler­konferenz. Apps spielen dabei eine zentrale Rolle.

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