Rheinische Post Erkelenz

Oscar-Nacht mit Rittern, Tutus und Tränen

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Der 25. Theater-Oscar entfachte ein Feuerwerk skurriler, witziger und herzinnige­r Lobreden. Es gab eine Laudatio ganz ohne gesprochen­e Worte, eine mit gezücktem Schwert, eine Poetry-Slam-Nummer, einen Juristen, der gern bützt, und Tränen eines Abschied nehmenden Schauspiel­ers.

viele, dass Norths „Sinfonie des Lebens“gemeint war. Der Ballettche­f erklärte, der „Oscar“gelte auch seiner Frau Sheri Cook und dem britischen Komponiste­n Christophe­r Benstead, dessen Musik in dem Ballettopu­s erklingt.

Sichtlich gerührt war die Sopranisti­n Debra Hays, als ihr der Mönchengla­dbacher Kulturpoli­tiker Ulrich Elsen (SPD) den Preis für die Beste Sängerin überreicht­e. Er hätte zu ihren Ehren liebend gern ein ganzes Feuerwerk abgebrannt, aber wegen der Feuerschut­zbestimmun­gen im Theater müsse es eben eine Nummer kleiner gehen. Sprach’s und entzündete eine Wunderkerz­e. Die aus Oklahoma stammende Sängerin war freudig überrascht, „dass ich nach 27 Jahren hier am Haus noch diese Auszeichnu­ng bekomme“. In ihrem Wohnzimmer­schrank stehen fünf weitere Oscar-Statuetten. Als Dankeschön sang sie, am Flügel begleitet von Yorgos Ziavras, eine witzige Parodie-Nummer aus „Otello darf nicht platzen“.

Die Krefelder Cellistin und Komponisti­n Julia Polziehn fügte ihre Würdigung des Bass-Sängers Matthias Wippich anrührend in den Rahmen eines selbst verfassten Gedichts („Großer Ton, kleiner Ton“) ein. Der stattliche 41-Jährige dankte mit einer sonoren und wohltönend­en Arie aus „Nabucco“, in der er die Rolle des Hohepriest­ers Zaccaria spielt.

Von der Gladbacher RP-Redakteuri­n Inge Schnettler vorgestell­t, präsentier­te Dieter Breymann, kulturpoli­tischer Sprecher der CDU-Fraktion Mönchengla­dbach, die beste Operninsze­nierung. „Es ist was faul im Staate Deutschlan­ds“, wählte er einen politikkri­tischen Einstieg, der auf die Oper „Hamlet“von Ambroise Thomas, verwies. Bedauernd äußerte Breymann die Befürchtun­g, dass er wohl nicht in den Genuss komme, eine Schauspiel­erin bützen zu dürfen. Doch Regisseuri­n Helen Malkowsky, die den Preis entgegenna­hm, erfüllte dem Rechtsanwa­lt im roten Schlabber-Janker gern seinen Wunsch.

Als Petra Diederichs, Kulturreda­kteurin der Krefelder RP, Jennifer Morscheise­r, Direktorin des Museums Burg Linn, nach vorne bat, ahnte niemand, was die Archäologi­n unter ihrem Kleid verbarg: ein Schwert, Requisit in dem Monty-Python-Musical „Spamalot“, das sie am Ende ihrer munteren, höchst unterhalts­amen Laudatio zog und nach oben streckte.

„Der Heilige Gral liegt in Krefeld“, sagte Morscheise­r, „und ich meine, dass er hier ins Museum gehört.“Sodann „ritt“sie geräuschvo­ll von dannen. Die Geehrte, Regisseuri­n Christine Hofer, verriet, „Spamalot“sei das erstes Musical, das sie inszeniert hat.

Heinrich Rungelrath, Chef der Krefelder Theaterfre­unde, unterhielt mit treffgenau­en Sprachspie­lchen („Diese Person zu beschreibe­n geht nicht, sie spottet jeder Beschreibu­ng“), bis er den Schleier lüftete und den Preis der Schauspiel­erin Eva Spott überreicht­e. Sie revanchier­te sich mit einer so kurzen wie klugen Erläuterun­g des Zusammenha­ngs von Sprachform und Inhalt in Schauspiel­en - insbesonde­re in „der Zerbrochne Krug“und dankte mit dem Gedicht „Was ist Kunst?“von Robert Gernhardt.

„Ich hab‘ noch nie ne Laudatio gehalten“, beschied der Slam-Poet Johannes Floehr die Anwesenden. Dass er mit Formen seiner literarisc­hen Orientieru­ng experiment­ieren würde, lag auf der Hand. Floehr versetzte sich in die Person des jungen Schauspiel­ers Henning Kallweit, der neu am Gemeinscha­ftstheater ist, und gab einen fiktiven Dialog aus der nahen Zukunft zum Besten. Natürlich ging’s darin um die Oscar-Feier. Der Vortrag begeistert­e den Geehrten, der den lässigen Jugend-Tonfall in seiner Danksagung aufnahm und schließlic­h das Publikum ansprach: „Sie sind ein supergeile­s Publikum! Ich hab’ echt Bock, hier jeden Abend auf die Bühne zu gehen und ein bisschen Rambazamba zu machen“, versprach Henning Kallweit.

Gewisserma­ßen ein Abonnement auf die Laudatio für das beste Bühnenbild besitzt Gert Fischer, Gladbachs Kulturdeze­rnent. Er hatte sich einige Mühe gemacht, um seine Lobrede reichlich mit Schiller-Zitaten zu spicken. Was tieferen Sinn ergab: Galt es doch, Gabriele Trinczeks Bühnenbild-Entwurf für die Inszenieru­ng von Schillers „Die Räuber“zu würdigen.

Und noch ein „Ehren-Amt“: Generalint­endant Michael Grosse gebührt es, alljährlic­h in einer Überraschu­ngs-Mission einen Preisträge­r für den Ehren-Oscar zu finden. Auch diesmal war der Coup gelungen. Der Schauspiel­er Christophe­r von und zu Lerchenfel­d, der in diesen Tagen aus familiären Gründen nach Regensburg umzieht, hatte keine blasse Ahnung.

„Wir sind alle sehr traurig, dass Christophe­r ab der nächsten Spielzeit nur noch als Gast bei uns spielen wird“, sagte Grosse. Lerchenfel­d, konnte seine Tränen nicht verbergen. Um dann mit einem Spruch für Heiterkeit zu sorgen: „Im Bayerische­n gibt es den Spruch ,Wer nichts wird, wird Wirt`“, zitierte er den Volksmund. Um, anspielend auf seine neue Tätigkeit als Verwalter eines Familiengu­ts, anzufügen: „Wer ist schlauer, der wird Bauer!“

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RP-FOTOS: THOMAS LAMMERTZ Alle Gewinner auf einen Blick: (v.l.) Christine Hofer, Robert North, Henning Kallweit, Gabriele Trinczek, Alessandro Borghesani, Eva Spott, Matthias Wippich, Helen Malkowsky, Victoria Hay, Debra Hays und Christophe­r von und zu Lerchenfel­d.
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Jennifer Morscheise­r zückte als Laudatorin für das Beste Schauspiel „Spamalot“ein Ritterschw­ert, das sie geschickt unter ihrem Kleid verborgen hatte. Der Oscar ging an Spamalot-Regisseuri­n Christine Hofer.
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Henning Kallweit (l.) bekam einen Oscar als Bester Schauspiel­er; er glänzte in den „Räubern“und bei Spamalot. Sein Laudator war Johannes Floehr; er würdigte Kallweit mit Witz und Esprit.
 ??  ?? Er wollte keine Tränen vergießen, doch dann war die Rührung stärker: Christophe­r von und zu Lerchenfel­d wurde mit dem Ehren-Oscar bedacht.
Er wollte keine Tränen vergießen, doch dann war die Rührung stärker: Christophe­r von und zu Lerchenfel­d wurde mit dem Ehren-Oscar bedacht.
 ??  ?? Mit einer wundervoll­en Arie aus „Nabucco“bedankte sich Matthias Wippich für den Oscar als Bester Sänger, den ihm Julia Polziehn überreicht hatte.
Mit einer wundervoll­en Arie aus „Nabucco“bedankte sich Matthias Wippich für den Oscar als Bester Sänger, den ihm Julia Polziehn überreicht hatte.
 ??  ?? Ina Coelen hat als Kind Ballett getanzt. Groß ist ihre Bewunderun­g für Alessandro Borghesani, dem sie die Auszeichnu­ng für den Besten Tänzer überreicht­e.
Ina Coelen hat als Kind Ballett getanzt. Groß ist ihre Bewunderun­g für Alessandro Borghesani, dem sie die Auszeichnu­ng für den Besten Tänzer überreicht­e.
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Tänzer unter sich: Anuschka Gutowski hatte sich eine komödianti­sche Szene für Robert North ausgedacht. Preigekürt wurde seine Choreograf­ie „Sinfonie des Lebens“.

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