Rheinische Post Erkelenz

Trump poltert gleich zum Frühstück

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Gegenüber einem sichtlich konsternie­rten Jens Stoltenber­g startet US-Präsident Donald Trump mit wüsten Angriffen auf Deutschlan­d. Und das gleich zu Beginn des Nato-Gipfels, zu dem Stoltenber­g als Generalsek­retär des Verteidigu­ngsbündnis­ses geladen hatte. Vor laufenden Kameras wirft Trump Deutschlan­d vor, „ein Gefangener Russlands“zu sein. Der Ausbruch bezieht sich auf die geplante Pipeline Nordstream 2, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschlan­d transporti­eren soll. Trump sagt wörtlich: „Es ist traurig, dass Deutschlan­d massiv Geschäfte mit Russland macht, wenn wir gegen Russland verteidige­n sollen.“

Dann knöpft er sich Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD) und dessen Engagement bei Gazprom vor. „Der ehemalige Kanzler ist mit von der Partie in diesem Unternehme­n.“Deutschlan­d werde 70 Prozent seiner Gasversorg­ung über Russland decken, so Trump weiter. Dies hätte niemals erlaubt werden dürfen. Und dann kommt der Satz: „Deutschlan­d ist total kontrollie­rt von Russland, wenn das Land 70 Prozent seiner Energie daher bezieht.“Trump fragt Stoltenber­g: „Halten Sie das etwa für angemessen?“Um sofort weiterzuma­chen: „Das ist schlimm für die Nato. Wir müssen darüber reden.“

Die Pipeline ist eigentlich kein Nato-Thema, wohl aber die Verteidigu­ngsausgabe­n. Sie sind der wichtigste Programmpu­nkt an diesem ersten Gipfeltag. Auch hier nimmt Trump Deutschlan­d aufs Korn: Deutschlan­ds Verteidigu­ngsausgabe­n lägen bei 1,2 Prozent der Wirtschaft­skraft, bei den USA seien es 4,2 Prozent. So ganz stimmt das nicht: Laut Nato-Zahlen sind es im Fall der USA 3,5 Prozent. Das sei „sehr unfair für unser Land und die Steuerzahl­er.“Die europäisch­en Länder dürften sich jetzt nicht mehr zehn Jahre Zeit lassen, sondern müssten „sofort“handeln. Stoltenber­g versucht noch, die Wogen zu glätten und wendet ein: „Es gibt 29 Mitglieder in der Nato, da gibt es schon einmal unterschie­dliche Meinungen.“Zwei Weltkriege und der Kalte Krieg hätten gezeigt: „Gemeinsam sind wir stärker.“Darauf Trump unversöhnl­ich: „Wie will man zusammen sein, wenn ein Land Energie aus einem Land bezieht, gegen das die anderen sind.“Nato-Generalsek­retär Stoltenber­g, der sonst sichtlich bemüht ist, Trump nicht zu provoziere­n, wird ihm später widersprec­hen: Nordstream 2 sei eine deutsche Angelegenh­eit, „es ist nicht Aufgabe der Nato, diese Sache zu regeln“.

Die Bundeskanz­lerin ist manches von Trump gewöhnt. Der Vorwurf, „Gefangener Russlands“zu sein, ist dann aber doch ebenso neu wie bodenlos. Als sie gegen Mittag zur Nato kommt, rückt sie die Trump-Suada so zurecht: Sie habe selbst erlebt, „dass ein Teil Deutschlan­ds von der Sowjetunio­n kontrollie­rt wurde.“Sie sei sehr froh, dass dies nun anders sei. Sie unterstrei­cht, dass „wir unsere eigenständ­ige Politik machen“und „unsere eigenen Entscheidu­ngen fällen können“. Das sei auch sehr gut für die Menschen in den neuen Bundesländ­ern. Auch beim Streitpunk­t Verteidigu­ngsausgabe­n geht Merkel selbstbewu­sst in den Gipfel: Deutschlan­d verdanke der Nato viel, „Deutschlan­d leistet aber auch viel“. Deutschlan­d sei der zweitgrößt­e Truppenste­ller im Bündnis nach den USA. Auch in Afghanista­n leiste Deutschlan­d viel, was ein Beitrag zur Sicherheit der USA sei. „Deutschlan­d tut dies gern und mit Überzeugun­g.“

Merkel bekennt sich zum Nato-Ziel, die Verteidigu­ngsausgabe­n bis 2024 auf zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinla­ndsprodukt­s zu erhöhen. Da die Wirtschaft wächst, ist Deutschlan­d trotz massiv steigender Wehretats aber weit weg vom Zwei-Prozent-Ziel. Nach neuesten Nato-Zahlen landet Deutschlan­d 2018 wie bereits im Vorjahr wieder bei 1,24 Prozent. Bis 2024 sollen es 1,5 Prozent sein. Abgesehen von Griechenla­nd, England, Polen und einigen baltischen Staaten sind die meisten europäisch­en Länder unter der Zwei-Prozent-Marke.

Trotz Trumps Breitseite­n gegen Deutschlan­d und viele andere Alliierte herrscht bei der Nato keine Katastroph­enstimmung. Der Grund ist: Wichtig für die Nato ist das 39-seitige Kommuniqué mit den wichtigen Kernbotsch­aften: Schaffung der neuen Kommandost­ruktur, schnellere Einsatzber­eitschaft sowie die neue Ausbildung­smission im Irak. Das ist die Arbeitsgru­ndlage der Allianz für die nächsten zwei Jahre. Es enthält Passagen zum Kampf gegen den IS-Terror sowie zum aggressive­n Verhalten Moskaus. Eine Katastroph­e wäre gewesen, wenn Trump die Unterstütz­ung der Vereingten Staaten zu diesem Papier verweigert hätte. Die Gefahr ist jedoch noch nicht komplett gebannt: Seit dem G7-Gipfel in Kanada weiß man, dass Trump dazu neigt, seine Zustimmung auch nach seiner Abreise zurückzuzi­ehen.

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FOTO: AP US-Präsident Donald Trump betritt die Bühne in Brüssel.

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