Rheinische Post Erkelenz

Hazard kann, muss aber nicht weg sein

Belgiens Niederlage im WM-Halbfinale gegen Frankreich erlebte Borussias Offensivma­nn von der Bank aus mit. Er ist umworben. Doch es gibt auch Gründe, warum er vielleicht doch in Gladbach bleiben könnte.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Der ganz große Traum ist zerborsten wegen des kantigen Schädels des Franzosen Samuel Umtiti. Der rammte im Halbfinale der Weltmeiste­rschaft den Ball ins belgische Tor und verhindert­e damit, dass Eden und Thorgan Hazard Geschichte schreiben können. Sie hätten nach Fritz und Ottmar Walter (Deutschlan­d 1954) und Bobby und Jack Charlton (England 1966) das dritte Brüderpaar sein können, das Weltmeiste­r wird. Davon mal abgesehen, dass Belgien noch nie den WM-Titel erreicht hat. Es bleibt den Hazards und den übrigen „Roten Teufeln“das kleine Finale am Samstag.

Danach gehen sie in den Urlaub, dürften aber dennoch für reichlich Gesprächss­toff sorgen. Denn beide, Eden wie Thorgan, sind gern genommene Spekulatio­nsobjekte. Und beide haben das durchaus auch unterstütz­t. Eden kokettiert­e öffentlich mit seiner Wertschätz­ung für Real Madrid, wo er als möglicher Nachfolger von Cristiano Ronaldo gehandelt wird. Thorgan ist gleich bei einem Dutzend Vereinen in England, Spanien und Italien ein Thema. Sein Vater und sein Berater wurden in nicht unbedingt geheimer Mission in Valencia gesichtet. So liegt der Verdacht nahe, dass der 25-Jährige nach der WM nicht zurückkehr­t nach Gladbach, sondern gleich beim neuen Arbeitsgeb­er einsteigt.

Aber kommt es wirklich so? Sicherlich, wenn das Angebot extrem gut ist. Das ist bei Thorgan weit moderater als bei seinem großen Bruder, für den Real wohl 100 Millionen Euro aufwärts an den FC Chelsea überweisen müsste. Doch auch er ist nicht billig, 30 Millionen plus müssten es schon sein, um ihn Borussia abzukaufen. Das wäre dann das „unmoralisc­he Angebot“, von dem Manager Max Eberl und Trainer Dieter Hecking gesprochen haben. Hecking ist gerade dabei, seinem Team ein neues fußballeri­sches Gesicht zu verpassen. Eine wesentlich­e Rolle in seinem Ansatz spielen Pressing und Geschwindi­gkeit. Für beides ist Thorgan Hazard prädestini­ert, denn er ist ohne, vor allem aber mit dem Ball verdammt fix unterwegs. Weswegen Hazard vermutlich ein Spieler ist, den Hecking eigentlich am liebsten behalten würde.

In der vergangene­n Saison saß Hazard nur einmal auf der Bank, das war gegen Hertha BSC. Als er dann nach der Denk- und Verschnauf­pause kam, drehte er mit seinem Doppelpack das Spiel. Ansonsten war er Stammspiel­er, er verpasste keines der 37 Pflichtspi­ele. Hazard hatte so viele Chancen wie nie zuvor, ließ einige aus, traf aber zum ersten Mal in seiner Bundesliga­zeit zweistelli­g. Er steigerte sich, seit er Borusse ist, stetig. Vermutlich wird er in der nächsten Saison den nächsten Schritt machen und vor dem Tor mehr Treffsiche­rheit zeigen.

Ob er Belgien möglicherw­eise gegen die gut gestaffelt­en Franzosen weitergeho­lfen hätte, ist fraglich, Trainer Roberto Martinez jedenfalls setzte nicht auf den Borussen. Ob der nun im Spiel um Platz drei am Samstag mitmachen darf und seine WM-Bilanz von bisher zwei Einsätzen und 97 Minuten Spielzeit steigern darf, wird sich zeigen.

Zeigen wird sich auch, wie seine Zukunft aussieht. Vielleicht liegt sie sogar doch in Gladbach, dort, wo er sich nach eigenen Angaben wohl fühlt. Und schließlic­h läuft sein Vertrag noch bis 2020. „Wir haben das Heft des Handelns in der Hand“, stellte Hecking daher zuletzt nochmal klar. Auch in einem Jahr würde es noch das große Geld, bei der aktuellen Transferma­rkt-Inflation vielleicht sogar noch mehr als jetzt geben. Ergo: Borussia kann Hazard verkaufen, muss es aber nicht. Den neuen Mittelstür­mer Alassane Pléa, der am Mittwoch den Flug nach Gladbach angetreten hat, hat Eberl durch den wahrschein­lichen Verkauf von Jannik Vestergaar­d gegenfinan­ziert. Auch sonst ist die Einkauf-Verkauf-Bilanz auf null gestellt: Den Zugängen Keanan Bennetts, Torben Müsel, Andreas Poulsen und Michael Lang stehen die Abgänge von Vincenzo Grifo und Raúl Bobadilla gegenüber. Vielleicht ist Hazard für Gladbach als Borusse mehr wert als seine mögliche Ablösesumm­e.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Thorgan Hazard kam bei der WM 97 Minuten zum Einsatz. Samstag ist das spiel um Platz drei, dann hat er Urlaub. Kehr er danach zurück nach Gladbach?
FOTO: REUTERS Thorgan Hazard kam bei der WM 97 Minuten zum Einsatz. Samstag ist das spiel um Platz drei, dann hat er Urlaub. Kehr er danach zurück nach Gladbach?

Newspapers in German

Newspapers from Germany