Tanztheater Wuppertal leidet unter Querelen
WUPPERTAL Droht Adolphe Binder das frühzeitige Aus in Wuppertal? Die Entscheidung über eine mögliche Entlassung der Leiterin des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch wurde am Mittwochabend vom Beirat erneut vertagt. Es gebe weiteren Beratungsbedarf, hieß es.
Durch ein den lokalen Medien zugespieltes Papier wurde vergangene Woche bekannt, dass es offensichtlich massive Probleme zwischen der künstlerischen Leiterin und der Geschäftsführung des Tanztheaters gibt. Beide Seiten äußern sich derzeit nicht dazu. Adolphe Binder, seit Sommer 2017 Intendantin des berühmten Ensembles von Pina Bausch, wird unter anderem Mobbing und ein autoritärer Führungsstil unterstellt, Vorwürfe, mit denen sie sich schon bei ihrem Abgang als Leiterin der Tanzcompagnie in Göteborg konfrontiert sah.
Angeblich habe sie bereits in ihrer ersten Wuppertaler Spielzeit mehrere Abmahnungen bekommen. Hauptkritikpunkt ist jedoch: ein angeblich nicht vorliegender tragbarer Spielplanentwurf für die kommende Saison. Sonst hatte die Compagnie immer spätestens im Juni ihren Spielplan vorgestellt. Bisher steht nur fest, dass die Saison mit einer Serie des Stücks „Vollmond“im September eröffnet wird. Angeblich habe Binders Entwurf die Wiederaufnahmen der Stücke „Sweet Mambo“und „Kontakthof“vorgesehen, beides Werke, für die die benötigten Besetzungen laut Geschäftsführung nicht zur Verfügung stehen, so dass der Spielplan noch zu viele „N.N.“enthalten habe und nicht abgesegnet wurde. Geschäftsführer Dirk Hesse habe nun die Absetzung der Intendantin gefordert. Eigentlich läuft ihr Vertrag bis 31. Juli 2022. Die 49-Jährige war vergangenes Jahr angetreten, das Tanztheater Wuppertal acht Jahre nach dem Tod der legendären Gründerin Pina Bausch in die Zukunft zu führen. Dass dies ein Spagat werden würde, war jedem klar. Denn Binder muss nicht nur das Repertoire aus mehr als 40 Stücken von Pina Bausch pflegen und lebendig erhalten, sondern sollte durch neue Choreografien dafür sorgen, dass das Tanztheater nicht zum lebenden Museum mutiert.
Mit zwei neuen Inszenierungen, zu denen sie zwei Gastchoreografen einlud, Dimitris Papaioannou und Alan Lucien Oyen, läutete das Tanztheater Wuppertal im Mai und Juni diesen Jahres die Zukunft ein, zwei sehr unterschiedliche Arbeiten, die jedoch die tänzerische Qualität und die Offenheit der Protagonisten für Neues eindrucksvoll belegten.
Dass die Vorwürfe nun an die Öffentlichkeit gelangten, kritisieren alle Seiten. Die Tänzer seien von den Diskussionen über ihre Intendantin bei ihrem Gastspiel in Paris überrascht worden. In einem offenen Brief, den alle Tänzer unterschrieben haben, kritisieren sie die mangelnde Kommunikation. Sie seien weder an Diskussionen mit dem Management oder dem Beirat beteiligt gewesen noch hätten sie Informationen über Vorwürfe gegen die Intendantin oder die Geschäftsführung erhalten, hieß es.
Auch Stadtkämmerer Johannes Slawig kritisiert, dass die Personaldiskussion nun öffentlich geführt werde. Das schade nicht nur den betroffenen Personen, sondern auch der Institution, dem Tanztheater Wuppertal. Die Querelen kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, an dem die Planungen für ein Tanzzentrum Pina Bausch in vollem Gange sind. Mit Mitteln von Bund, Land und Stadt soll eigentlich im ehemaligen Schauspielhaus 2024 ein Tanzzentrum eröffnet werden. Gerade hatte der Bund 2,2 Millionen Euro für weitere Planungen bewilligt. Das interne Gerangel sollte also möglichst bald beendet werden. Angeblich will der Beirat noch einmal diese Woche tagen. Dann sollte er zu einer Entscheidung kommen.